30. Oktober 2013

ORLACS HÄNDE

Robert Wiene  (Österreich, 1924)
Robert Wiene hat paar Jahre zuvor seinen Dr. Caligari auf die Menschheit losgelassen und in der Filmgeschichte tiefe Spuren eingeritzt. Als Namensgeber des Wiesbadener Programmkinos „Caligari“, ist er also auch mit Raritäten wie seinem "Orlacs Hände" herzlich willkommen, der wie jeder Stummfilm in diesem Kino, von Uwe Oberg am Klavier live begleitet wird. Oberg haut nicht nur in die Tasten, sondern entlockt zusätzlich auch den Klaviersaiten äußerst beunruhigende Töne, die diesen alt-expressionistischen Alptraum noch alptraumhafter erscheinen lassen. Robert Wienes Film wird von den typischen deutschen Schatten der Weimarer Republik eingehüllt; die Stadt biegt sich in ihren Schrägen und verliert sich in lochartigen Winkeln. Zwar nicht so herrlich kulissenhaft- artifiziell wie bei "Caligari", aber ähnlich schaurig-schön.
Conrad Veidt ist eins von Christopher Lees Vorbildern, es muss also was an ihm dran sein, und um so genauer beobachtet man seine ausdrucksvolle, gar affektierte Darstellung des Paul Orlac. Er ist Konzertpianist, der bei einem Unfall beide Hände verliert und bei einer Transplantation die Hände eines hingerichteten Mörders verpflanzt bekommt. Keine optimale Lebenslage also, und seine hilflosen Versuche, sich von den schrecklichen, neuen Händen zu "lösen", treiben ihn beinahe in den Wahnsinn. Es sind Fremdkörper, von deren krimineller Vergangenheit er sich distanzieren will, zumal er sich von den verbrecherischen Fingerabdrücken nicht mehr befreien kann.
Der Regisseur treibt die Spannung bis zum Ende auf die Spitze, wo sich alles ganz nach einem klassischen Krimi-Baukasten auflöst. Das Gesetz steht dem gefassten, wahren Schurken gegenüber; es wird stumm gequatscht, Beängstigendes enthüllt und in großen Gesten lamentiert bis sich die Tafeln mit den Zwischentiteln biegen, vor lauter schriftlichem Mitteilungsbedürfnis.
Am Ende kommt eine etwas zu konstruierte Wahrheit ans Tageslicht, die diesen finsteren Film  endlich erhellt. An „Das Kabinett des Dr. Caligari“ kommt der Streifen natürlich nicht heran; das Potenzial seiner phantastisch-frankenstein'schen Thematik wird dafür zu wenig ausgeschöpft.

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