9. Oktober 2013

IM REICH DER SINNE

Nagisa Ōshima  (Japan, 1976)
Die wahre Geschichte um Abe Sada, die im Japan der 30er Jahre ihren Geliebten strangulierte, ihm anschließend sein Geschlechtsteil samt Hoden abschnitt und mit den blutigen Trophäen durch die Straßen von Tokio herumlief, wurde auch schon von Noboru Tanaka unter dem Titel „Die Geschichte der Abe Sada“ verfilmt. Ein längst gesehener Film, an den jedoch kaum einer Erinnerung heranreicht, aber kaum anzunehmen, dass der Sensationsgehalt dieses Zwischenfalls nur halb so skandalös und bluttriefend daherkam, wie ein Jahr später in der Verfilmung von Nagisa Ōshima. (Tanakas Film wird dennoch bald aufgefrischt).
Der Regisseur hatte es in seiner Heimat mit einer solchen Thematik nicht gerade leicht und musste den Film schließlich in Frankreich fertigstellen. Was ihm am Ende gelang, ist ein großer Klassiker des prickelnden Pinku eiga-Genres, dessen Inhalt man erst einmal wiedergeben sollte:
Kichizō betreibt ein Geisha-Haus, wo er die Dienerin Abe Sada kennenlernt und er keinen Hehl daraus macht, dass er es von Anfang an auf sie abgesehen hat, was der verheiratete Lustmolch und Familienvater auch sofort unter Beweis stellt. Inhaltlich lässt sich die folgende Handlung auch schnell zusammenfassen, weil der erwartungsvolle Zuschauer zum malträtierten Voyeur degradiert wird, der mit den beiden Liebenden zusammen eingesperrt, Zeuge einer leidenschaftlichen, sexuellen Begierde wird, wo Lust und Phantasie keine Grenzen kennen und es deswegen auch keine Verschnaufpausen zwischen den Liebesakten zu geben scheint. Die bloße Fleischeslust reicht jedoch irgendwann nicht mehr für die nötige Befriedigung und muss mit Lustschmerzen ergänzt werden, was den Film plötzlich in ganz andere, morbide Sphären hievt.
Nagisa Ōshima erzählt uns in gekonnt durchkomponierten Bildern von der Gratwanderung zwischen Lust und Tod und von der Verschmelzung dieser beiden gegensätzlicher Zustände. Filmästhetisch gibt es auch nichts zu bemängeln, bloß übertrumpft der Skandalgehalt die Handlungsarmut, oder die inhaltliche Eintönigkeit. Man könnte jetzt von Langweile sprechen, aber dafür wird man viel zu sehr auf das monströse Finale vorbereitet, das man voller Spannung erwartet.

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