21. März 2013

CHARADE

Stanley Donen (USA, 1963)
Stanley Donen, ein visueller Ästhet, weil er vielleicht mehr Fotograf als Filmemacher war, aber vor allem doch ein guter Geschichtenerzähler.  Um so ärgerlicher wenn man mit seinem Hichcock'haften Klassiker "Charade" in einer ziemlich ramschigen DVD-Qualität konfrontiert wird, dabei hat er alleine schon mit "Funny Face" und "Zwei auf gleichem Wege" zwei der schönsten Audrey Hepburn-Filme gedreht.
Hier spielt sie Regina Lampert, die sich von ihrem Mann trennen möchte, jedoch nach Wiederkehr aus dem Urlaub erfährt, dass dieser ermordet wurde und sie lediglich seine Tasche mit wenigen Habseligkeiten entgegennehmen darf. Von nun an hat Regina keine Ruhe mehr, weil sie gleich von mehreren Männern umzingelt und verfolgt wird, die aber ganz andere Pläne schmieden, als etwa ihr Herz erobern zu wollen. Es dreht sich nämlich (fast) alles um das liebe Geld und zwar eine beträchtliche Summe, die während des 2. Weltkriegs von jenen Männern sowie Reginas mittlerweile verstorbenem Ehemann als Diebesgut versteckt wurde. Regina soll das Geld bloß wiederbeschaffen; ein Hinweis für das Versteck befindet sich irgendwo zwischen den wenigen Sachen in der Tasche des Toten.
Und Donen inszeniert gekonnt mit Witz und packendem Tempo, weil sich Audrey Hepburn und Cary Grant (als undurchsichtiger Begleiter und Helfer) stets die Bälle zuschmeißen, ganz wie in einem guten Screwball-Film, wo die Gefühle nur so hin- und hergeschleudert werden, wo man den anderen neckt und zappeln lässt, bloß damit am Ende doch noch was gutes dabei herauskommt.
Unvergesslich auch der große Walter Matthau als CIA-Mann Bartholomew, der ganz eigene Pläne schmiedet und selbst eine solche Rolle immer noch mit amüsanten Details auszuschmücken weiß.
"Charade" bleibt weiterhin ein sehr angenehmer Donen/Hepburn-, Krimi/Screwball-Film und eine Respekt zollende Hitchcock-Verbeugung, jedoch eigenständig genug, um dem Suspense-Meister nicht auf die Füße zu treten.

19. März 2013

NACHTZUG NACH LISSABON

Bille August (Deutschland, Schweiz, Portugal, 2013)
Eine Schande eigentlich, den Dänen Bille August mit seinem schwedischen Kollegen Lasse Hallström zu verwechseln, wunderte mich deswegen wie August kurze Zeit nach "Lachsfischen im Jemen" schon den nächsten Film wie aus der Pistole geschossen auftischen konnte, nur um dann glücklicherweise festzustellen, dass jener "Lachs"-Film genauso wie "Chocolat" beides Hallström-Filme sind, und mit Bille August nichts zu tun haben.
Aber das ist nur eine belanglose Feststellung ganz nebenbei, die aber dennoch zurückdenken lässt, dass August bereits einige nennenswerten Filme vorzuweisen hat. Neben "Pelle der Eroberer" gab es vor allem den wunderbaren, auf Ingmar Bergmans Drehbuch basierenden "Die besten Absichten", später den kommerzielleren Ausflug mit "Das Geisterhaus", aber immer noch ein solider Film, durch den ich den großen Vincent Gallo kennenlernen durfte.
Nun also die Pascal Mercier-Verfilmung von "Nachtzug nach Lissabon", das Buch auch nie wirklich wahrgenommen, klingt aber alles nach endlosen Tränen, gepaart mit leicht spießiger Südländer-Romantik und nervenaufreibendem Krimi, den man gerne während der Bahnfahrt konsumiert.
Jeremy Irons spielt hier einen ausgelaugten Schweizer Professor, der auf dem Weg zur Arbeit einer sich von der Brücke stürzenden, jungen Frau im letzten Moment das Leben rettet und mit einem Buch aus ihrer Jackentasche konfrontiert wird, das zur entscheidenden Wende der Geschichte führt. Es handelt sich dabei um ein Buch über den portugiesischen Autor/Arzt Amadeu de Prado, der gegen die Diktatur in seiner Heimat kämpfte. Irons (bzw. Gregorius) ist von dieser Person dermaßen gefesselt, dass er seinen Alltagstrott augenblicklich hinter sich lässt, in den nächsten Zug steigt (die Fahrkarten lagen in dem Buch) und in Lissabon wegen der rätselhaften Figur zu recherchieren beginnt.
Dank dieser unglaubwürdig abenteuerlustigen Eigenart des Protagonisten, kann sich der Regisseur fortan in endlosen Zeitsprüngen austoben, dass dem Zuschauer Hören und Sagen vergeht. Der (ehemalige) Lehrer schnüffelt nämlich ausgiebig herum, begegnet Amadeu's alten Weggefährten (darunter Bruno Ganz, Charlotte Rampling, Lena Olin), lässt sie aber in diversen Rückblenden verjüngen (Melanie Laurent, August Diehl, usw.) und macht ihre Beziehung zu Amadeu immer deutlicher, wodurch der junge Revoluzzer als Figur immer greifbarer wird, was wiederum zur Selbstreflektion von Jeremy Irons Figur führen soll.
Und das könnte alles furchtbar schön und interessant sein, wirkt aber großteils zu prätentiös durch die Kombination der wehleidigen Musik in Verbindung mit den etwas schwülstigen Buchzitaten, die den Film aus dem Voice Over begleiten. Hinzu kommt noch der etwas fragwürdige Eingriff, dass sich alle Figuren trotz verschiedener Herkunft akzentlos in der gleichen Sprache miteinander unterhalten können; so was kennt man eher aus schlechten Cowboy/Indianer-Filmen.
Solide Arbeit, Herr August, aber schade, dass nicht mehr daraus geworden ist, als ein gut gemeinter, aber flüchtiger Zwischendurch-Film.

14. März 2013

THE MASTER

Paul Thomas Anderson (USA, 2012)

Seit Jahren wünschte man sich kaum etwas sehnlicher herbei, als den neuen Paul Thomas Anderson-Film, weil er bereits mit "There Will be Blood" ein gefährliches Monster von der Kette löste und man sich immer noch daran erinnert, wie Daniel Day Lewis als Öl-suchender Daniel Plainview den Zuschauer zunächst tief in den Kinositz hineinbohrte und nach Verlassen des Saals einem ein schwebend leichtes Gefühl auf den Weg gab; man war einfach glücklich und zufrieden, einen wirklich guten Film gesehen zu haben.
Dieser Film bleibt auch die ewige Anderson'sche Messlatte, deswegen ist "The Master" in gewisser Weise unerfüllt geraten, weil er niemals daran heranreicht, aber muss er auch nicht zwangsläufig und gut bleibt er dennoch.
Navy-Veteran, Freddie (Joaquin Phoenix) treibt sich hier herum; von Job zu Job, von Ort zu Ort, versucht sein Kriegs-Trauma zu überwinden, oder zumindest in Zaum zu halten, doch er ist eine tickende Zeitbombe, nähert sich seinen Mitmenschen mit Misstrauen und reagiert öfters mit Gewaltausbrüchen (genial inszenierte Szene, wie er als angestellter Fotograf einen Gewaltkonflikt mit seinem Kunden provoziert).
Was er seiner Dienstzeit im Krieg zu verdanken hat, ist vor allem das mangelnde Gefühl von jeglicher Zugehörigkeit; es zieht ihn immer wieder ans Meer bzw. aufs Schiff, wo er schließlich als blinder Passagier seinem filmischen Pendant begegnet: Philip Seymour Hoffman spielt Lancaster Dodd, der an den Scientology-Gründe L. Ron Hubbard angelehnt ist. Ein Intellektueller mit der Ausstrahlung und Wucht eines späten Orson Welles, der dank seiner charismatischen Aura eine Vielzahl an Leuten um sich schart, wie eine große Familie, die sich dem neuartigen Glaubenssystem ihres Meisters und Mentors anschließen will.
All das scheint aber schnell in den Hintergrund zu geraten, weil Phoenix und Hoffman dermaßen präsent sind und jeden Eindruck von greifbarer Handlung in den Schatten stellen; zwei Darsteller, die sich selbst genügen, die sich stets in die Quere kommen und doch eine unzertrennliche Einheit bilden, weil der Meister eben auch einen Schläger braucht, um seinen Gegnern und Zweiflern Angst einzujagen. Die zahlreichen Zwiegespräche und psychologischen Raufereien nehmen dann beinahe Bergman'sche Ausmaße an (vielleicht im Ansatz an die Interview-Erzählmethode in "Der Ritus" erinnernd), sind für den Meister aber in erster Linie ein spielerisches Experiment und weniger ein ehrliches Angebot, dem gebeutelten Freddie wirklich helfen zu wollen. Die Versuche der Reinwaschung einer Figur, um sie wieder auf den rechten Weg zu bringen, haben hier auch etwas von dem Martyrium, das Alex in "Clockwork Orange" durchmachen muss.
"The Master" ist vor allem ein Prozess aus aneinandergereihten Lehrversuchen, die das Innere nach außen herauszukitzeln sollen und den Zuschauer durch hinterhältige Wiederholungen provozieren und immer wieder herausfordern. Einen Befreiungsversuch bzw. eine befreiende Grenzüberschreitung gibt es dann in Form der uneingeschränkt schnellen Motorradfahrten in der Wüste, als einzigen Ort, wo einem Nichts im Wege steht.
Und je weiter Anderson seine Geschichte vorantreibt, desto dichter wird der erzählerische Urwald und um so abrupter und dramaturgisch unerfüllter das Finale, weil man nach dem Totschlag mit dem Bowling-Kegel aus "There Will be Blood" erneut einen solch dominanten Farbklecks im Drehbuch erwartet hätte. Oder aber Andersons Herangehensweise ist eine andere, weil er seine Höhepunkte nach keinem klassischen Muster platziert. Lieber sollte man auf die kleinen Mienen treten, die im Verlauf der Geschichte ohnehin zahlreich verteilt sind.
Mag man sich also über einen mühevollen Erzählfluss ärgern, über mehr Rätsel als deren Lösungen;... was bleibt zeugt dennoch von großer Erzählkunst, dem Talent, in großen Bildern und originellen Einfällen erzählen zu können und mit großer Präzision den ungewöhnlichen Soundtrack von Jonny Greenwood (mittlerweile Andersons Hauskomponist!) an den richtigen Stellen unterzubringen, so dass die Musik nicht bloß visuelle Löcher stopft, sondern eine ebenbürtige Stellung einnimmt.
Andersons Kino wird immer undurchdringlicher und mysteriöser; man muss einfach weiterhin dranbleiben.

12. März 2013

VERDACHT

Alfred Hitchcock (USA, 1941)
Weiter geht's mit Hitchcock. Nachdem er seine britische Heimat hinter sich gelassen und seinen Fuß in den USA aufgesetzt hat, durfte er zuallererst bereits in seiner "Rebbeca"-Verfilmung mit der wunderbaren Joan Fontane zusammenarbeiten. 
Hier taucht die zerbrechlich-schüchterne Joan wieder auf, diesmal als Lina Mclaidlaw, die während einer Zugfahrt den redseligen, ziemlich aufdringlichen Johnny Aysgarth (Cary Grant.. sah schon damals aus wie immer) kennen und lieben lernt. Sie beschließen zu heiraten, bloß wendet sich das Blatt kurzerhand, weil Lina ihrem Mann schnell auf die Schliche kommt und feststellt, dass er in Wirklichkeit kein Vermögen angehäuft hat, sondern vollkommen bankrott ist und lieber bei Pferdewetten absitzt, als einer geregelten Arbeit nachzugehen. Schließlich verdächtigt sie ihn, er würde sie ermorden wollen, um an ihr Geld heranzukommen.
Hitchcock soll mit dem Ende des Filmes unzufrieden gewesen sein; da ergeht es mir nicht anders, weil der Film so abrupt mit seiner Finalszene umgeht und trotz aller "offenes-Ende"-Tendenz den Zuschauer voller Fragezeichen alleine lässt. Als würde die Geschichte an ihrem Höhepunkt plötzlich wieder erschlafen und den (leider unbefriedigten) Anschein einer Fortsetzung machen. Cary Grant bleibt am Ende fad und darf die erhofften Hörner nicht mehr ausfahren und Joan Fontane dümpelt eher in ihrer theatralischen Überdramatisierung, als dass sich Anzeichen echter Wahnvorstellungen äußern würden. Ein mittlerer Hitchcock.