10. Oktober 2013

DER SCHAUM DER TAGE

Michel Gondry  (Frankreich, 2013)
Die Spielkinder unter den heutigen Regisseuren, die nicht erwachsen werden möchten; das muss eine ganz besondere Sorte Mensch sein. Michel Gondry kann man getrost dazuzählen, vielleicht in einem Zug als einen der drei Musketiere, neben Jean-Pierre Jeunet und Wes Anderson. Jene Männer der überstilisierten Optik, des ewigen Herumpolierens bis jede Szene, jede Straße, jede liegende Papiertüte und jeder Fussel im neuen, bedeutungsschwangeren Glanz den Zuschauer blenden und sich der gesamte Film vor visuellem Überschwank selbst bekotzt, bis er an seinem eigenen Erbrochenen erstickt.
"Der Schaum der Tage" ist die Krönung davon. Die Geschichte, bzw. der sich manchmal hervortuende Ansatz davon, ist beinahe nicht vorhanden: Ein Mann (Romain Duris) heiratet eine Frau (Audrey schon-wieder-Amelie Tautou), sie wird todkrank, er kümmert sich um sie. Ähnlich hätte der Regisseur den Inhalt seinem Visual Effects-Team zusammenfassen können, mit der sofortigen Aufforderung, alle Anzeichen von Handlungsarmut mit optischem Prunk zu überdecken. Und davon gibt es reichlich; der Film bebt, pulsiert und platzt vor lauter Farben, Formen, sich bewegenden, zum Leben erweckten Gegenständen und zappelndem Essen auf Tellern; alles in einer gummiartigen Welt versammelt. Wie Disney und Švankmajer in Stücke geschnitten, vermischt und mit dem französischen Amelie-Nostalgie-Liebe-zum-Detail-Charme gewürzt, surreal und fern von der Realität wie nur möglich.
Um den bunten, verspielten Zirkus dennoch intellektuell im Zaum zu halten, taucht Jean-Paul Sartre auf; zwar maskiert als Jean-Sol Partre, aber uns kann man nichts vormachen. Der echte Sartre soll übrigens von der literarischen Vorlage von Boris Vian begeistert gewesen sein, so sagt man. Außerdem wird hier auch öfters zu Duke Ellington getanzt.
Man wäre von diesem Film restlos erschöpft, würde man nicht seinen Über-Stil irgendwann doch akzeptieren, denn auch solche Filme muss es schließlich geben; sie bleiben die die fütternde Hand für eine Menge Spezialeffekt-Tüftler. Abgesehen davon kriegt der Film auch rechtzeitig die Kurve, in dem er zum Ende hin zunehmend an Farbigkeit verliert, bis Tautous Krankheit in den schwarzweißen Bildern einem langsamen, leisen und finsteren Gang in Richtung Abgrund gleicht. Das überrascht, schockiert beinahe. Als würde man nach einer langen, fröhlichen Party alle Gäste auffordern, sich still in Richtung Friedhof zu begeben.
Michel Gondry war schon mit „Human Nature“ und „Science of Sleep“ nahe an der Grenze zum Wahnsinn. Die hat er jetzt längst überschritten.

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