15. Oktober 2013

TRISTANA

Luis Buñuel  (Spanien, 1970)
Nicht ganz so populär wie der andere Buñuel/Deneuve-Film "Belle de Jour", aber vielleicht kommt diese turbulente Lebens- und Leidensgeschichte von Tristana deswegen auch nicht so ausgelutscht und ausgeleiert daher. Deneuves Figur ist vor allem eine interessante Ergänzung zum vorherigen Film.
Nach dem Tod ihrer Mutter kommt Tristana in Obhut des Don Lope (Fernando Rey), eines lebenserfahrenen, aber mittellosen Bourgeois und Atheisten, der ein relativ einsames Leben führt und lediglich von seiner Haushälterin (Lola Gaos) umsorgt wird.
Tristana erwarten harte Zeiten, als er ihr klarmacht, sie sei für ihn eine Geliebte, er aber gleichzeitig ihr Vormund wäre und nach Herzenslust zwischen den beiden Rollen umherspringen könnte. Sie nutzt jedoch auch ihr Privileg, eine freie Frau zu sein und beginnt mit dem Maler Horacio (Franco Nero) zu liebäugeln, bis beide schließlich den aufgebrachten, eifersüchtigen Don Lope und die Stadt hinter sich lassen und ein gemeinsames Leben anfangen. Die junge Frau erkrankt jedoch ernsthaft und Horacio bringt sie wieder zu Don Lope.
Buñuel zeichnet wieder mal eine Fülle an Situationen, in denen die Beziehungen und das Miteinanderauskommen unterschiedlicher Figuren, von ihrer jeweiligen sozialen Lage abhängig gemacht wird. Tristanas Erkrankung droht sie zu seiner absoluten Gefangenen zu machen, weil ihr Bein tragischerweise amputiert werden muss. Auf einmal kommen Krücken und Beinprothesen ins Spiel; die Verstümmelung einer schönen Frau; Buñuels makaber-erotische  Mätzchen.
Tristana und Lope heiraten schließlich, doch wenn auch die zugespitzte Lage auf eine bedingungslose Unterwürfigkeit hindeutet, nimmt alles schnell einen überraschenden Lauf, weil ihnen der Regisseur in die Quere kommt und Buñuel lenkt gerne alles in ungewohnte Richtungen. Tristana verzichtet bereits auf die gemeinsame Hochzeitsnacht, indem sie den erstaunten Don Lope auf sein fortgeschrittenes Alter aufmerksam macht. Die Zeit rennt und der alte Mann wird zunehmend älter, kränker, hilfloser, bis Tristana ihre Oberhand restlos ausnutzt und zur Katastrophe herbeiführt.
Dass alles auf ein dramatisches Ende hinausläuft, erkennt man bereits aus Tristanas mehrmals wiederkommendem Traum, wo man Fernando Reys abgeschnittenen Kopf als schwingenden Glocken-Klöppel bestaunen darf. Buñuel war eben ein alter Spaßvogel, der gerne seinen eigenwilligen Humor mit einbrachte. Unterschwellig witzig bleibt der Film, bei all seinen tragischen Wendungen, ohnehin. Und trotz fehlender, surreal-absurder Akzente seiner darauffolgenden, filmischen Schlussphase.

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