16. Oktober 2013

DIE SCHÖNE UND DIE BESTIE

Jean Cocteau  (Frankreich, 1946)
Nachdem man aus der kürzlich gesehenen Cocteau-Doku gelernt hat, dass Jean Cocteau sein Leben in einem Opiumrausch verbracht hat, erklärt das natürlich sein Bestreben, das alte Märchenbuch wieder aufzuschlagen und so etwas wie "Die Schöne und die Bestie" filmisch zu verewigen, dann natürlich auch mit seiner großen Muse Jean Marais, gleich in einer dreifacher Rolle: als draufgängerischer Avenant, als wuschelige Bestie und schließlich als bildhübscher Prinz, nach dem der Fluch und der ganze Ärger endlich vorbei ist.
So zugestaubt archaisch wie sich hier alles anbahnt, ist es letztendlich auch, verdankt aber all seiner schmuddeligen Naivität eine unglaubliche Portion an düsterer Atmosphäre, die man bei Märchenfilmen sonst nur lange suchen kann.
Wenn nämlich der alte Kaufmann und vierfacher Familienvater sich im finsteren Wald verirrt und in dem nebligen Dickicht das von engelhaft-dämonischen Chören begleitete, verborgene Schloss findet, dessen dunkle Gänge von sich bewegenden Kandelabern beleuchtet werden, und er dann auch noch beim Entwenden der Rose schließlich der Bestie begegnet... das alles hat Cocteau in einer unheimlich dichtgesponnenen, poetischen Stimmung eingefangen, die dann auch noch fast überboten werden kann, wenn Bella (Josette Day) in Zeitlupenaufnahmen durch die Schloss-Gemächer zur Bestie eilt. Dann wird es auf einmal verdammt schön und man vergisst für einen Moment die viele hölzernen Momente, übertriebenen Verzierungen und den archaischen Märchenkitsch.
Es bleibt ja immer noch ein großer Film seines Genres, wunderbar fotografiert und von einem eigenwilligen, artifiziellen Schauspiel getragen. Bella und die Bestie scheinen in opernhafter Anmut  rhythmisch zu schweben, schwerlos und gespenstisch durch das Set zu gleiten.
Am Ende freut man sich natürlich, dass alles gut ausgeht, dass der gierige Avenant durch den Pfeil der Gerechtigkeit selbst zur Bestie wird und einen elenden Tod stirbt und dass der Fluch von der Bestie weicht und sie als Prinz mit neuem Antlitz zufälligerweise genauso aussieht wie Avenant, auf den Bella sowieso schon zuvor ein Auge geworfen hat.
Ein ganz außergewöhnlicher Musen-Film, weil Cocteau hier seinen Liebling hinter einer verfilzten, pelzigen Fratze versteckt, um ihn am Ende von all seiner Widerwärtigkeit zu befreien und ihm doch noch ein Denkmal zu setzen.

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