29. Oktober 2013

ACCATTONE - Wer nie sein Brot mit Tränen aß

Pier Paolo Pasolini  (Italien, 1961)
"Accattone" war Pasolinis Erstlingswerk, bei dem bereits ganz Italien auf die Barrikaden ging und somit der Grundstein zum Skandal-Filmemacher gelegt wurde.
Erzählt man nämlich in Italien der 60er Jahre eine Geschichte über einen Zuhälter, der auf alles und jeden spuckt, der andere Menschen zu eigenen Zwecken ausnutzt, der nicht mal davor zurückschreckt, seinen eigenen, kleinen Sohn zu bestehlen, als er ihm bei einer Umarmung das Kettchen samt Kruzifix vom Halse stibitzt, der ein Schuft durch und durch ist, vor Raufereien nicht zurückschreckt, das Vertrauen vom anderen Geschlecht ausnutzt, um naive Mädchen herauszuputzen und anschließend auf den Strich zu schicken, und der selbst vor jeder Art von Arbeit und körperlicher Anstrengung zurückschreckt und seinem aussichtslosen Leben und allen Mitmenschen bloß mit beißendem Spott entgegentritt... da muss ja ein ganzes Land in Aufruhr sein, wenn es einen solchen Film serviert bekommt.
Zuerst erweckt er den Anschein, ein weniger schädlicher Neorealismo-Film zu sein, auch wenn die Zeit für solche Nachkriegswunden in den 60ern längst vergangen war. Die Kriegstrümmer waren beseitigt und boten plötzlich den Blick auf andere, bzw. weitere Probleme. Man saß bloß herum, spielte Karten, verplemperte sinnlos die Zeit und verbrachte ganze Tage zusammen mit abgestumpften Gleichgesinnten. Das römische Zuhälter- und Dirnenmilieu wird zu all dem von Johan Sebastian Bachs "Matthäus-Passion" musikalisch verziert. Wenn Accattone (Franco Citti, damals direkt aus dem Film-Ei geschlüpft!) dann noch für all die Schandtaten mit seinem Tod büßen muss und sich einer in der Menge vor seiner Leiche bekreuzigt, ist der Skandal perfekt und der Film nicht weit davon entfernt.

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