1. Oktober 2013

ON THE ROAD

Walter Salles  (USA, 2012)
Wirft man einen neugierigen Blick darauf, was Walter Salles sonst noch so verbrochen hat, stoßt man überraschenderweise auf zwei gute Filme: Das ist zum einen "Die reise des jungen Che" und vor allem die sehr schöne Ismail Kadare-Verfilmung "Hinter der Sonne", die sogar besser als die Vorlage war. Dieses Kunststück soll ihm erst mal einer nachmachen.
Hätte man das vorher gewusst, wären die Erwartungen an einer Kerouac-Verfilmung etwas höher und hätte man noch rechtzeitig erfahren, dass kein anderer als Francis Ford Coppola hier als Co-Produzenz fungiert, der seit Jahrzehnten die Rechte an dem Buch in seiner Schublade aufbewahrt, würde man vielleicht sogar einen wirklich guten Film erwarten. Aber es ist nun mal kein Coppola-Film, weil Coppola selbst nie Zeit dafür gefunden hat. Ein grundlegendes Problem ist aber vielleicht, dass der Film zur falschen Zeit gedreht wurde. Denn Kerouacs Opus magnum, das vor sprachlicher Intensität überquillt, hätte vielleicht nur Berechtigung gehabt, auf Kinoleinwände übersetzt zu werden, wenn es die wilde, unberechenbare Zeit des New Hollywood erwischt hätte; diese gewisse Authentizität, die man bei Hoppers "Easy Rider" während der Mardi Gras-Aufnahmen zu spüren bekommt. Oder eine solche Verfilmung hätte noch früher realisiert werden müssen, damit sie sich noch ganz lebhaft an die echte Beat-Generation hätte klammern können, als der Bebop noch wirklich den Zeitgeist widerspiegelte und die Jazzklänge die Räder auf dem Asphalt zum Glühen brachten. Deswegen erscheint das Jahr 2012 für eine Kerouac-Verfilmung beinahe wie Science Fiction.
Walter Salles bemüht sich dennoch und schickt Sal Paradise (Sam Riley) auf seine Irrfahrt quer durchs Land, wo er zuerst Dean Moriarty (Garrett Hedlund) begegnet. Es ist die Schlüsselfigur, die alles vorwärtstreibt, die nach dem echten Leben hungert; sie ist das stets wild pochende Herzen dieser Geschichte. Zumindest ist sie das im Buch. Im Film bleiben die männlichen Hauptfiguren halbwegs charismatische, sensible Typen, gefangen in Körpern von viel zu modernen Hipstern, Schönlingen und Möchtegern-Schriftstellern.
Im Verlauf dieser Reise gesellen sich weitere Figuren hinzu, von Kirsten Stewart, Kirstin Dunst, Viggo Mortensen, Amy Adams und Steve Buscemi verkörpert, um die bekanntesten aufzuzählen. Sie alle sind Weggefährten und Zwischenstopps für Sal und Dean, auf ihrem rastlosen Trip ins Nirgendwo.
Kennt man Kerouacs Vorlage nicht, fragt man sich vermutlich, was der ganze Scheiß eigentlich soll. Ist man mit dem Buch aber doch vertraut, fragt man sich das um so mehr, wenn man diese Odyssee beobachtet, deren Weg viel zu geradlinig und zu still verläuft, statt in einem verworrenen Dickicht aus holprigen Seitenwegen und einer explodierender Musikcollage aufzugehen, die sich der ungezügelten Spontanität und dem unbeugsamen Schreibrhythmus des Jack Kerouac halbwegs nähern könnte.

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