30. September 2011

FLAMMENDES INFERNO

John Guillermin, Irwin Allen (USA, 1974)
Das Katastrophen-Genre ist von Anfang an dazu verdammt, alle filmischen Einzelbestandteile der Sensationsgier seiner Handlung unterzuordnen. Was einzig zählt ist die Katastrophe und ihre realistische Umsetzung, alles Restliche sind abgedroschene Plattitüden, die sich hilflos um das Drama scharen.
"Flammendes Inferno" ergeht es da nicht viel anders. Die Regisseure Guillermin und Allen stecken mehrere Bekannte Darsteller in einen frisch errichteten, kürzlich eingeweihten Wolkenkratzer, der auf Grund baulicher Sparmaßnahmen Feuer fängt und langsam wie eine gigantische Zigarette abbrennt.
Paul Newman ist der Architekt, der Superheld, der in dem zerstörten Gebäude von einem Stockwerk ins andere krabbelt; wutentbrannt weil er ständig über technische Mängel stolpert, für die er den Bauherr (William Holden) und dessen Schwiegersohn (Richard Chamberlain) verantwortlich macht. Faye Dunaway spielt die Frau des Architekten, die man natürlich als erste gerettet sehen möchte. Nicht zu vergessen Steve McQueen als Boss der Feuerwehr von San Francisco; in seinen Händen liegt das Schicksal der Eingeschlossenen.
Wer überlebt, oder wer den Flammen zum Opfer fällt, bzw. in letzter Not aus dem Fenster stürzt, kann sich jeder halbwegs vernünftige Zuschauer in kürzester Zeit ausmalen. Nicht nur der Bekanntheitsgrad der Darsteller ist dafür der beste Hinweis, sondern ebenso das altbewährte Phänomen des Sympathieträgers: der Unbekannte und der Schurke verbrennt, der Star hingegen brennt weiter am filmischen Himmel, muss also überleben. Demzufolge ist die Charakterzeichnung so durchsichtig wie eine frisch polierte Scheibe, und alle Darsteller, so gut sie auch sind, nicht mehr als ein Haufen Hampelmänner; ein Mittel zum Zweck.
Die große Katastrophe ist nicht ein brennendes Hochhaus, sondern wenn ein Genre zu ausgeprägt in Erscheinung tritt. Dann bleibt aber immer noch ein gutes Unterhaltungskino; wie in diesem Fall.

29. September 2011

MORITURI

Bernhard Wicki (USA, 1965)
Wicki scheint ein Regisseur gewesen zu sein, der jeden Cent für eine pompöse Ausstattung seiner Filme hergegeben hätte, um die nötige visuelle Attraktivität zu erreichen.
Bei "Morituri" fällt zu aller erst sein immenser Aufwand auf: Er lässt die Kamera aus weiter Entfernung wie einen Vogel hoch über den riesigen Schiffen kreisen, dann auf das Deck herab gleiten, um in der gleichen Einstellung (ohne Schnitt!) so nah an die Darsteller heranzuzoomen, dass man als Zuschauer den Leuten an Deck fast in die Nasenlöcher hineinschauen kann; man wird sofort ins Geschehen integriert.
Brando ist Sprengstoffexperte und soll, getarnt als Gestapo-Offizier, an einem deutschen Frachter Sprengladungen entschärfen. Diese befinden sich, (deutlich gekennzeichnet, aber gut versteckt), an den unterschiedlichten Orten des großen Schiffes und sollen vom deutschen Kapitän (Yul Brynner) gezündet werden, falls der Frachter dem Feind in die Hände fallen sollte.
Was sich nach einem trockenen Kriegskrimi anhört, erweist sich als ein aufregendes und spannungsvolles Drama, denn Bernhard Wicki ist nicht nur ein technisch besessener Regisseur, sondern weiß, in dieser effektvollen Kulisse interessante Charaktere unterzubringen.
Brando ist sowieso immer gut; hier muss er noch zusätzlich eine Tarnung aufrecht hallten, verläuft sich dadurch in diversen, psychologischen Sackgassen, wenn er im Gespräch mit der Besatzung oder beim Auftauchen anderer deutschen Offiziere, in deren Visier gerät.
Brynner als Kapitän wie gewohnt der disziplinierte Typ, der alles gefasst einsteckt, doch bis zum Ende hin, immer deutlicher erweicht und an Jack Londons Wolf Larsen-Figur erinnert.
Hinzu kommt noch eine Schiffsbrüchige Jüdin (Janet Margolin); äußerlich wie eine verloren gegangene Ingmar Bergman-Frau, die mit bissigem Zynismus den Stolz ihres Volkes verteidigt. Durch ihre Anwesenheit rettet sie außerdem den Film vor der stets drohenden Genre-Schublade eines harten Männerfilms. Und entgegen aller Hollywood-Klischees wird sie (die attraktive und einzige Frau an Bord) sogar am Ende kaltblütig niedergeschossen.
Der Film überrascht. Inhaltlich und formal.

22. September 2011

DER MIETER

Roman Polanski (Frankreich, 1976)
Nichts ist so schön, wie alte Schatztruhen aufzubrechen und festzustellen, dass der Inhalt immer noch nicht vom Staub bedeckt ist. Auf diese Weise wurde mit großer Freude Polanskis Topor-Verfilmung geborgen und erneut gesichtet.
Polanskis Lieblingsthema des in sich selbst eingeschlossenen Menschen, der nicht nur in seinen eigenen vier Wänden mit sich selbst zu kämpfen hat, sondern sich auch mit lästigen Mitmenschen abplagen muss. (siehe "Ekel", "Rosemarys Baby" oder auch "Wenn Katelbach kommt"). Polanski selbst in der Rolle des Mieters (deutsche Synchronstimme vom jungen Westernhagen), der eine Pariser Wohnung bezieht und sich von anderen Hausbewohnern dazu gedrängt fühlt, in die Rolle der Vormieterin zu schlüpfen, die in der gleichen Wohnung Selbstmord beging.
Selten gab es einen Filmcharakter, der durch Wahnvorstellungen eine dermaßen stürmische Metamorphose durchlebt, die zum Verlust der eigenen Identität führt: vom scheuen Angestellten Trelkovsky bis zur totalen Identifikation mit der exzentrischen Simone Choule.
Isabelle Adjani (damals wieder mal eine Neuentdeckung des Regisseurs) erscheint hier als Kumpelfrau, ein leiser Hoffnungsschimmer, der den Mieter von seinem Weg in den Abgrund weglocken könnte, doch am Ende nichts weiter ist, als ein weiteres Hindernis, welches überrollt wird, um der Katharsis des Finales doch noch näher zu kommen.
Ganz großes Kino, voller ungelöster Rätsel.

THE BEGINNERS

Mike Mills (USA, 2010)
Am Wiesbadener Caligari-Programmkino eine lange Schlange. Große Verwunderung; dabei ist der Film doch bloß so ein kleiner Happen, würde man denken. Schließlich im Kino drin, und dort einen Platz zu finden, erweist sich als eine höhere Kunst.
Bei genauerer Überlegung: es handelt sich um eine Liebesgeschichte zweier ansehnlicher Darsteller (Ewan McGregor und Mélanie Laurent) und um einen alten Familienvater (Christopher Plummer), der im Sterben liegt und plötzlich seine Homosexualität zugibt und auslebt. Es stimmt: eigentlich ein thematischer Garant für gefüllte Kinositze.
Irgendwann geht es los und der Film ist immerhin sehr sympathisch geraten. Anfangs bereiten die Parallelhandlungen, bzw. die verschiedenen Rückblenden etwas Probleme, weil sie die Geschichte holperig erscheinen lassen. Man fragt sich unweigerlich, wo eigentlich der Fokus liegt, oder liegen soll. Die Abhängigkeit der Handlungsstränge wird dann aber immer deutlicher, nicht zuletzt durch die eingeblendeten Zwischensequenzen, die den jeweiligen gesellschaftlich-historischen Kontext ihrer Zeit beleuchten: wir sehen diverse amerikanische Präsidenten, James Dean, Hitler, Moden und Trends, Ereignisse. Wir können schmunzeln, aber all das auch auf die Figuren projizieren. Das ist nett durchdacht, hält die einzelnen Szenen besser zusammen und erweckt den gesamten Film wieder zum Leben, wenn die Handlung mal wieder etwas schläfrig wird.
Dann hört der Film wieder auf und man denkt als aller erstes, wie selten in diesem Kinosaal überhaupt ein Lacher oder eine sonstige Reaktion zu vernehmen war. Vielleicht liegt aber der Reiz des Filmes in diesen subtilen Andeutungen, dass er einen Humor in sich birgt, der keiner sein will. Dass er uns das Thema der Homosexualität nie aufdrängt, auch wenn er davon erzählt. Dass er seine Liebesgeschichte friedlich vor sich hin und herschaukeln lässt und ihre Höhen und Tiefen stets im Zaum halten kann.

19. September 2011

AN EDUCATION

Lone Scherfig (Großbritannien, 2009)
Carey Mulligan spielt die 16jährige Jenny, ein Londoner Mädchen mit vorbildlichen Schulnoten und dem dazugehörigen Oxford-Traum im Kopf.
Ihr Leben gerät ins Wanken, als Peter Sarsgaard (in der Rolle des David) am Horizont erscheint. Der deutlich ältere (junge) Mann verdreht nicht nur der verträumten Göre den Kopf, sondern kann ebenso ihre Eltern um den Finger wickeln. Selbst der strenge Vater, der alle seine Erwartungen (und sein Geld) in die Bildung seiner Tochter investiert, kann Davids Charme kaum widerstehen und sieht ihn schließlich sogar als eine zukünftige, finanzielle Absicherung für seine Tochter.
Oxford wird auf einmal nicht mehr als Ziel angestrebt, doch kein Filmweg bleibt ewig rosig: David erweist sich als Hochstapler, sowohl privat als auch in seiner Art, das große Geld ranzuschaufeln. Hier platzen die Träume, Tränen fließen, und die junge Jenny muss wieder jene schulische Laufbahn betreten, deren Pfade sie zugunsten eines naiven Traumes verlassen hatte.
Gute Kritiken hin oder her; zuerst freut man sich über eine etwas alternativer gestrickte, britische (Liebes)Geschichte, die mit der Zeit aber immer durchsichtiger wird und eine hastig inszenierte Auflösung bereit hält, wie man sie im klassischen Hollywoodfilm nicht hätte oberflächlicher gestalten können. Denn es ist erschreckend wie der Film, trotz solider Darsteller, dermaßen seicht auf sein Finale zusteuert und ganz plötzlich eine 180 Grad-Kurve in seiner Aussage dreht. Auf einmal wird nicht mehr gegen das Schulsystem rebelliert, sondern in einem belehrenden Ton deutlich gemacht, wie ganz schnell die Konsequenzen spürbar werden, wenn man sich lieber der "Schule des Lebens" zuwenden möchte, statt den konventionellen Schulweg zu durchlaufen. Und was haben wir dazu gelernt, außer Risikobereitschaft zu vermeiden und Seitenpfade zu umgehen? Ärgerlicher, guter Mittelmaß.

18. September 2011

MAMMUTH

Benoît Delépine, Gustave Kervern (Frankreich, 2010)
Depardieu mit blutigen Metzgerhänden, selbst ein Fleischberg von einem Mann (deswegen Mammuth genannt), geht nach lebenslanger Schufterei schließlich in Rente, sitzt deprimiert zu Hause herum, vor ihm ein endloses Puzzlespiel, das er von Mitarbeitern zum Abschied geschenkt bekommen hat.
Das neue Leben mit dieser Riesenportion an Zeit, die man plötzlich selbst ausfüllen und bewältigen muss, ist keine Lösung auf Dauer. Seine genervte Ehefrau schickt ihn schließlich auf Reisen, damit er von ehemaligen Arbeitgebern die Rentenbelege holt, ansonsten droht eine niedrige Pension. Depardieu schnappt sich sein Mottorad und ein ungewöhnlicher Rentner-Roadmovie kann beginnen.
Der Film überrascht zunächst formal in seiner ungeschliffenen, rauen Art, mit deren Hilfe er seine Geschichte vorwärts treibt.
Manchmal fühlt man sich wie bei Aki Kaurismäki; diese lakonische Kommunikation zwischen den Figuren, ergänzt durch den fiesen Humor eines düsteren Realismus. Leider stützt sich der Film manchmal zu sehr auf diese Stilisierung und nutzt seinen poetischen Ansatz, um am Ende sanft ins Nichts hinauszulaufen. Aber gut ist der Film dennoch.
Depardieu als gutmütiger Rieseblödmann; im Ansatz sah man ihn ja in früheren Rollen schon so; "Mammuth" ist aber schließlich die deutlichste Variante einer solchen Figur. Und dann noch ein Wiedersehen mit Isabelle Adjani als verstorbene Liebe, die als Geist und Traum immer wieder auftaucht. Gruselig und unnötig aber schön.

8. September 2011

Filmmuseum Frankfurt

Kürzlich das lang ersehnte und endlich wiedereröffnete Frankfurter Filmmuseum in Augenschein genommen. Das Gebäude glänzt und stolziert mit seinen renovierten und neu ausgelegten Innenräumen, doch wirft mehr Fragen auf, anstatt zu informieren, wie man das von einem Museum eigentlich erwartet. Denn man vergleicht als aller erstes mit dem alten Gemäuer: wo ist die tolle Stummfilm-Dorfstraße, hinter deren schiefen Fassaden man sich verstecken konnte? Wo ist die Auto-Attrappe, an der man die Rückprojektion erklärt bekam? Wo ist die Kulisse des New Yorker Büros, an dessen protzigen Chef-Schreibtisch man sich setzen durfte?
Das neue Museum hebt sich dagegen durch eine streng chronologische Anordnung diverser Erfindungen ab, die den technischen Fortschritt des Filmmediums beleuchten. Kindgerecht aufbereitet, kann man alte Daumenkinos, diverse Laterna Magica und Camera Obscura bestaunen (stellenweise auch ausprobieren), kämpft sich durch diverse, prähistorische Apparate, bis man an Romy Schneiders Visconti-Kostüm angelangt und mit Gigers Alien-Monstrum, Oscars Blechtrommel und dem Darth Vader Helm belohnt wird. Zwischendurch gibt es noch die Möglichkeit, eigenhändig Bild und Ton zu schneiden, bzw. zu mixen und in einem provisorischen Studio am eigenen Gesicht verschiedene Kamera-Lichtverhältnisse zu testen.
Man möchte natürlich nicht undankbar erscheinen; das ist alles sehr aufschlussreich und mit Liebe zusammengestellt: Man blickt in eine alte Schatztruhe mit verstaubten Kuriositäten, lernt dadurch das technische Prozedere hinter diesem Medium besser kennen, doch was am Ende fehlt ist die leise Erwartung, dass diese neuen Eindrücke durch vertrautere Erfahrungen vervollständigt werden.
Doch danach kommt leider nichts mehr. Man sucht alle Ecken und Gänge ab, ob es vielleicht doch noch weiter geht, doch der Traum ist aus, vorbei und zu Ende. Da fragt man sich, wo die vielen Millionen wirklich hin geflossen sind. Vielleicht wenigstens in das neue Kino in den Museums-Katakomben, das erfreulicherweise ein wirklich spannendes Programm zu bieten hat. Der einzig wahre Lichtblick in diesem zweifelhaften Mammutprojekt.
Berlin und Düsseldorf können sich getrost zurücklehnen. Die anderen (wenigen) Filmmuseen stehen noch auf der Liste.

6. September 2011

DIE JUNGEN LÖWEN

Edward Dmytryk (USA, 1958)
Auch wenn der Film vom Kriegs- und Zeitstaub überdeckt zu sein scheint, ist er von einem starken Männer-Trio gesegnet: Hier gibt’s einen blonden (!) Marlon Brando auf der deutschen Seite, der als Soldat den Schrecken des Krieges und den Wahnsinn des Nationalsozialismus erkennt. Auf der amerikanischen Seite stehen Dean Martin als ehemaliger Broadway-Star und Montgomery Clift als New Yorker mit jüdischen Wurzeln; beide lernen sich beim Militär kennen.
Der Film pendelt ständig zwischen der deutschen Seite, in der er Brandos Kriegs-Skepsis und ein Techtelmechtel mit der Ehefrau von seinem Vorgesetzten beleuchtet, und der disziplinierten Stränge der militärischen Ausbildung von Martin und Clift. Die Kriegs-Sequenzen, in denen es um Leben und Tod geht (bzw. gehen sollte), bleiben dabei weitgehend fade und von einer erstaunlich banalen Vorschulsymbolik gebrandmarkt: Mitten im Gefecht dient eine zerbombte Hauswand als Schutz, an der aber dennoch am letzten Nagel ein Hitler-Portrait hängt.
Die wirkliche Stärke des Films bleibt dann eher die Portraitierung der drei Figuren von ihrer privaten Seite, wie der aus New York stammende Jude Ackermann, der kurz vor seiner Einberufung um die Hand eines Mädchen hält. Der strenge Vater muss natürlich einwilligen, ist aber antisemitisch eingestellt. Der junge Ehemann-Kandidat wird von Montgomery Clift gespielt, der schon immer ein bemerkenswerter Darsteller war; in seiner Zerbrechlichkeit an James Deans Spiel erinnernd, doch von seiner eigenen außergewöhnlichen Aura ergänzt.
Ich enträtsle das ganze dennoch, in dem ich auf das ungewöhnliche Ende hinweise; denn die zwei Parallel-Geschichten finden am Ende zu einander, und was nutzen all die Mühen und das Kopfzermartern von Brando, wenn er doch wie ein Hund sterben muss, weil er zufällig (und zum ersten Mal) Clift und Martin begegnet, von ihnen erschossen wird und tot in einer dreckigen Pfütze landet. So was sieht man nicht alle Tage.

5. September 2011

MIDNIGHT IN PARIS

Woody Allen (USA, 2011) 
 Erstmal aufatmen: Woodys letzter Film hat doch nichts mit seinem "Purple Rose of Cairo" zu tun. Irgendwie schien diese Fiktion/Wirklichkeit-Thematik seines alten Filmes nicht weit entfernt zu sein von der Zeitreise seiner neuen Pariser Geschichte. Es liegen aber doch Meilen dazwischen und so haben wir hier die erfrischendste Woody-Geschichte seit langem. "Midnight in Paris" gehört nicht zur Woody-Oberliga, basiert aber zumindest auf einer individuellen Grundidee, die das übliche Großstadt-Neurotiker-Motiv attraktiv ausbaut und die Bahn in eine ungewohnte Richtung lenkt.
Woody hat mal wieder einen neuen Stellvertreter für sich selbst auserwählt; diesmal Owen Wilson. Ein Grund, das schlimmste zu befürchten, doch der Hauptdarsteller, der sonst meistens für mittelmäßige Klamaukfilme bekannt ist, erweist sich als eine recht angenehme Wahl.
Woody schickt den Amerikaner nach Paris; einen verträumten Drehbuchautor mit der permanenten Sehnsucht, in einer längst vergangenen Zeit leben zu wollen. Seine Verlobte (Rachel McAdams) ist viel zu bodenständig und zu praktisch veranlagt, um diese Träume mit ihm teilen zu können. Owen Wilson kapselt sich ab, geht fremd, zuerst mit dem nächtlichen Paris dann mit einer Vielzahl an längst verstorbener Künstler und Schriftsteller, die er während der immer wieder kehrender Zeitreisen trifft, und schließlich mit einer verführerischen Marion Cotillard, auch eine Frau aus der Vergangenheit, die mit dem damaligen Künstlerkreis verkehrt und ein ähnliches Faible für die Vergangenheit hegt.
Woody eröffnet seinen Film mit einer Aneinanderreihung von Paris-Impressionen. Orte die man gesehen haben muss, irgendwo zwischen Postkartenaufnahmen und touristischen Klischees. Das ist so banal, dass es wieder schön ist. Von Anfang an weiß man: das wird ein Film eines gemütlichen, in die Jahre gekommenen Regisseurs sein. Einer, der niemandem etwas beweisen muss, dem man vieles verzeiht und der es vielleicht nie nötig hatte, ein wahres filmisches Meisterwerk anzustreben. Man sollte ihn eh besser am Gesamtwerk beurteilen. Jeder weitere Film ist ein unabwendbarer Pinselstrich.

4. September 2011

GRACE OF MY HEART

Allison Anders (USA, 1996)
Mein Interesse an Allison Anders' Filmen begann durch ihre Zusammenarbeit mit J. Mascis (Dinosaur jr) in ihrem "Gas Food Lodging", für den der Dino-Kauz den gesamten Soundtrack abgeliefert hat. In beiden Filmen hat Mascis auch einen Cameo-Auftritt; in "Grace of my Heart" sieht man ihn am Mischpult im Tonstudio sitzen, wie er ein paar Regler verschieben darf.
Arte zeigte kürzlich den Film und erinnerte mich wieder an dieses schöne Portrait über die Sonnen- und Schattenseiten der Musikindustrie der frühen und späten 60er Jahre. Als Inspiration diente hier die Lebensgeschichte von Carole King. Im Film steht die Sängerin Edna Buxton (Illeana Douglas) im Mittelpunkt. Ähnlich wie Frau King schafft sie es jedoch nicht, als Sängerin ins Rampenlicht zu treten, sondern muss ihren Traum von einer Gesangskarriere fallen lassen und als Songwriterin für andere Künstler ihre Brötchen verdienen.
Dank der kreativen Vielseitigkeit und dem stetigen modischen Wandel der 60er-Ära gelingt es Allison Anders ihre Geschichte mit farbenfrohen Figuren auszuschmücken, die die künstlerisch/musikalische Entwicklung dieses Jahrzehnts wiedergeben. Und trotz dieser historisch-nostalgischen Sympathie, die von dem Film ausgeht, bleibt es dennoch ein zeitloses Thema; musikalische Stile und die technische Seite von Studioaufnahmen haben sich seit je her weiterentwickelt, doch es bleibt für alle Ewigkeiten ein Kampf ums Überleben in einem harten Business, bei dem oft persönliche Krisen ausgefochten und menschliche Schwächen angekratzt werden.
Die frühen 60er und Flower Power kommen hier mit einem bunten Blumenstrauß, in dessen Stängeln jedoch das Ungeziefer krabbelt.

1. September 2011

IN DER GLUT DES SÜDENS

Terrence Malick (USA, 1978)
In seiner zweiten Regiearbeit wiederholt Malick in gewisser Weise sein zuvor in "Badlands" behandeltes Sujet eines Pärchen auf der Flucht vor dem Gesetz, das sich am Ende schließlich in die Wildnis zurückzieht.
In dieser hier zur Zeiten des Industrialisierung angelegten Geschichte ist es am Ende eine grandios inszenierte Hetzjagd; großartig gefilmt und geschnitten, bei der man aber schwer auf die besten Augenblicke eingehen kann, ohne das Schicksal der Figuren zu verraten.
Doch zuerst sind Bill, seine Geliebte Abby (die sich als seine Schwester tarnt) und seine kleine Schwester Linda unter den Erntehelfern in Texas gelandet. Ihr Arbeitgeber ist ein wohlhabender aber todkranke Farmer (Sam Shepard), der nicht mehr lange zu leben hat. Bill bekommt Wind davon und schmiedet einen Plan, für den er seine eigene Geliebte ausnutzen will.
Die Hauptfigur wird von Richard Gere gespielt; schon damals ein aalglatter Schönling, und als wenig passender Darsteller vielleicht der einzige wirklich wunde Punkt des Filmes. Er bleibt eben der ewige Schnösel im Anzug, der Julia Roberts unter den Rock schaut.
Das besondere an Malicks Film ist die Gabe eine Geschichte so zu erzählen, dass sie zwar allgegenwärtig ist und sich dennoch wie ein durchsichtiger Schleier dem erzählerischen Impressionismus der Bilder beugt. Draußen in den Weizenfeldern fühlt man sich wie in Bertoluccis gemäldenhaftem "1900"; die Bilder sind so lebhaft wie selten in einem Film, wenn die Kamera zur goldenen Stunde des Sonnenuntergangs in der weiten Landschaft um die Figuren kreist.
Vor Jahren bitter enttäuscht, nun eine schöne Wiederentdeckung.