18. November 2009

WOLFSMILCH

Hector Babenco (USA, 1987)
Ein sehr sehr trauriger Film, aber auch ein sehr schöner. Denn gibt es was malerischeres als Jack Nicholson, Tom Waits und Meryl Streep als verlauste Penner in den New Yorkern Straßen der 30er herumwandernd? Diese Verfilmung von William Kennedy hat was von einer Charles Dickens-Geschichte: der gebrochene, alternde Mann und die Geister; seine Toten, die ihn ständig besuchen und ihm noch einmal einen Spiegel vorhalten... die Orte aus seiner Vergangenheit, die er nach Jahren wiederbesucht oder sich bloß an sie erinnert. Halb Wirklichkeit, halb Traum; der Suff und das schäbige Leben lassen diese Grenze verwischen. Und Waits singt auch ein bisschen... wenn die Penner, versammelt am nächtlichen Lagerfeuer über ihr kleines Leben philosophieren und sich die Milchstraße ansehen. Kurz danach endet der Rausch und die Polizeirazzia versetzt diesen poetischen Abschaum wieder in die Realität; zeigt den armen Irren, wer und was sie wirklich sind.

8. November 2009

BLACK MOON

Louis Malle (Frankreich, 1975)
Ein Film, der sich konsequent seinem Zuschauer verweigert. Von einer dicken Mauer umschlossen, schmollt er, wird launisch, trägt seine Nase hoch, lässt nichts rein und nicht raus. Und ärgert einen. Von vorne bis hinten.
Das Mädel, das durch diesen labyrinthischen Nonsens herumirrt, ist natürlich eine Alice-Figur. Sie flüchtet von der Realität (einem Bürgerkrieg) in ein abgelegenes Anwesen (eine Phantasiewelt), doch hier stellen sich neue Probleme und Hindernisse in den Weg; hier gibt es sprechende Blumen, die sich beklagen wenn man sie zertritt, nackte Kinder, mit einem Schwein im Garten, eine alte bettlägerige Frau, die in einer unbekannten Sprache mit einer Ratte redet und mit der Brust gestillt werden muss, und das Pony-Einhorn im Garten; immer auf der Flucht und nie wirklich zu erreichen, wie das Alice-Kaninchen. Man mag sich verbarrikadieren, sich in die hinterste Ecke einer tiefen Höhle zurückziehen, doch die Realität holt einen immer ein. Oder so ähnlich.
Die Bilder zu diesem süßlichen Wirrwarr lieferte übrigens Sven Nykvist, Bergmans Haus-Kameramann, der Mann mit dem ewig richtigen Blick, der immer weiß, wo er seinen Apparat aufstellen soll. Mit Bergman hat das ganze jedoch wenig zu tun. Wenn überhaupt, dann gibt es eine inhaltliche Ähnlichkeit im Anfangsteil: In Bergmans „Schande“ gab es auch eine Flucht vor einer rätselhaften, militärischen Oberhand, die eines Tages die eigene Heimat besetzte. Bloß dient das bei Malle lediglich als Auslöser, um die Protagonistin in diese „andere“ Welt zu schicken.
Malles Film ist vielleicht wirklich ein Märchen. Dann aber eins dessen einzelne Worte man zu unzähligen Schnipseln zerschneidet, durchgemischt und wieder zusammengefügt hat.