31. März 2011

DIE NACHT DES JÄGERS

Charles Laughton(USA, 1955)
Harry Powell (R. Mitchum) erfährt im Gefängnis von einem Zellengenossen, dass dieser eine große Summe Geld versteckt haben soll. Nach seiner Entlassung macht sich Powell als falscher Prediger sofort auf den Weg, um das versteckte Geld des Familienvaters zu finden. Nur die beiden Kinder des Mitsträflings wissen wo sich das Geld befindet, nämlich eingenäht in eine Spielzeugpuppe, die das kleine Mädchen immer mit sich trägt. 
Laughtons Film konnte mich vor Jahren kaum begeistern; nun sieht das anders aus, denn vielleicht kann ich mittlerweile seine Eigenwilligkeit akzeptieren. Schließlich verwirrte der Film schon in den 50ern das Publikum, weil er eine Art Kaleidoskop für stilistischen Wirrwarr darstellt. Denn hier trifft Thriller, auf Gotik-Horror und den deutschen Expressionismus und gipfelt an einem moralisierend-kindlichen Zwischenhalt beim Herrn Disney und den Gebrüder Grimm.
Ein seltsames Phänomen bleibt er weiterhin. Laughton inszenierte sein einziges Regiewerk mit der kindlichen Naivität eines emotional gesteuerten Riesenbabys. Er war geradezu darauf versessen, alles auf eine innovative und aussagekräftige Bildsprache zu setzen, die er bis an ihre Grenzen trieb. Formal richtungweisend und gleichzeitig eine von Licht und Schatten geprägte Inszenierung und gestikbetonte Schauspielkunst; wie ein Spätzünder der Stummfilmzeit.
Vielleicht gibt es daher auch den ehemaligen Stummfilmstar Lillian Gish in der Rolle der Rachel, die die entflohenen Kinder bei sich aufnimmt, um sie von einem tobenden Robert Mitchum zu beschützen.
Laughton schien in seiner intuitiven Regie oft die Kontrolle über die Handlung und deren Charaktere zu verlieren; als würde sich sein Film verselbstständigen, was stellenweise zu merkwürdigen Schnitten, manchmal unnötigen Szenen und einem übertriebenen Agieren der Darsteller führte.
Trotzdem ein wichtiger und stilistisch origineller Film. Eine ganz eigene Welt; ein Kinderalptraum in Schwarzweiß.

29. März 2011

DIE FLIEGE

Kurt Neumann (USA, 1958)
Der Wissenschaftler Delambre entwickelt ein Teleportationsgerät, mit dessen Hilfe er Materie von einem Ort zum anderen befördern kann, ohne dass der Gegenstand/Lebewesen eine physische Entfernung zurücklegen muss.
Er verschanzt sich immer mehr im Laboratoriums-Keller vor seiner Familie, um seine Entdeckung zu vervollkommnen, bevor er damit an die Öffentlichkeit geht.
Einzig seine Frau ist in die Experimente eingeweiht; sie ist von der Erfindung zugleich begeistert wie auch entsetzt.
Hier kommen moralisch-schöpferische Inhalte ins Spiel; die Frage in wieweit der Mensch mit seinem Erfindungsreichtum gehen kann, und an seiner eigenen Existenz, sowie der von anderen Lebewesen manipulieren darf.
Diese Frage wird auch mit einem tragischen Zwischenfall beantwortet: Nachdem sich der Professor selbst in der Maschine eingeschlossen hat, unwissend, dass sich in dem Augenblick eine Fliege in dem Apparat niedergelassen hat, wird er während der Teleportation mit dem Insekt gekreuzt: von nun an hat er einen menschengroßen Fliegenkopf und ein Fliegenbein statt seiner linken Hand. (der Fliege ergeht es andersherum).
David Cronenberg hat den Stoff in den 80ern noch mal verfilmt, wohl auch erfolgreicher (leider bisher nicht gesehen). Neumanns Film ist trotz des naiven Charmes dieser SciFi-Story leider zum Großteil der Spielzeit ein unfreiwillig komischer Dauer-Blödsinn. Denn es ist weder furcht einflößend noch wirklich ernst zu nehmen, wenn man die ganze Zeit einem Mann zusehen muss, der stets wortlos mit einer schwarzen Decke über dem Kopf im Laboratorium herumtorkelt, damit seine Frau die grässliche Verwandlung nicht sehen muss.
Gefesselt war ich dennoch, und rechtfertige das mit dem altbewährten Trashfaktor.

24. März 2011

TRUE GRIT

Ethan, Joel Coen (USA, 2010)
Da ärgert man sich streifig, dass man Henry Hathaways Ur-Version gar nicht kennt; der Mensch vergleicht ja immer so gerne. Ist zumindest schon mal ein Ansporn danach Ausschau zu halten.
Der Film der Gebrüder Coen startet etwas unverhofft, weil man hauptsächlich nur im Off-Kommentar mitbekommt, wie der Stein angestoßen und ins Rollen gebracht wird.
Der Anstoß für die Story, ist ein Mord. Die 14jährige Mattie will ihren ermordeten Vater rächen, in dem sie den Marshall Rooster Cogburn (Jeff Bridges) anheuert, welcher den entflohenen Mörder im Indianergebiet aufspüren soll.
Der alte Marshall ist mittlerweile in einem fragwürdigen Zustand, muss also von der kleinen Gör erstmal zu dem Job motiviert werden. Hier kreieren die Coens das klassische Motiv eines verbrauchten Ex-Helden, der nach einer herben Niederlage erst wieder auf Vordermann gebracht werden muss (oder sich selbst aufrafft), und somit wieder zum Helden werden kann. Was also erst nach einem klassischen Western klingt, wird im Verlauf der Geschichte glücklicherweise durch diverse, skurrile Charaktere vor den üblichen, verbrauchten Genre-Konventionen gerettet. Denn darin liegt meistens die Stärke der Coen-Filme: man wird mit Figuren konfrontiert, die man so noch nicht gesehen hat. Die sorgen auch in dem Fall für das nötige Zündholz und garantieren immerhin eine unterhaltsame Handlung vor einer attraktiven Prärie-Kulisse. Auf Leinwand deswegen noch viel schöner.

22. März 2011

ANNA KARENINA

Clarence Brown (USA, 1935)
Müde und ausgewaschene Tolstoi-Adaption, die damals immerhin der guten Garbo wieder auf die Beine half, nachdem sie zuvor in einigen wirklichen finanziellen Desaster-Filmen mitgewirkt haben soll.
Die Darsteller sind hölzern und die Inszenierung kollidiert mit der weitgehend einfallslosen und verstaubten Fotografie, auch wenn es während der Bankett-Szene eine beeindruckende Kamerafahrt entlang des langen, reich gedeckten Essenstisches gibt.
Die kühle Frau Garbo ist immerhin nett anzusehen, aber das reicht leider nicht für einen guten Film. Tolstois Mammut-Schmöker bleibt eben filmisch betrachtet ein unnahbares Riesenmonstrum.

14. März 2011

EX DRUMMER

Koen Mortier (Belgien, 2007)
Alles dreht sich um eine frisch gegründete Band aus dem belgischen Ostende, die den Schriftsteller Dries als Schlagzeuger anheuert.
Die restlichen Bandmitglieder sind alles Problemfälle; eine gewisse Behinderung ist Aufnahmekriterium: Der Sänger ist ein gewalttätiger Skinhead, der am liebten Frauen blutig schlägt. Der fast taube Gitarrist hat eine drogenabhängige Frau und Baby zu versorgen und schließlich gibt’s da noch den Bassisten mit dem steifen Arm und einem wahnsinnige Vater zu Hause, sowie einer verkommenen, kahlköpfigen Mutter mit schief sitzender Perücke.
Der neu dazugekommene Schlagzeuger Griet hat hier also eine Menge zu tun. Er hat die Funktion eines Übervaters, eines Aufpassers, der die Band zusammenhält. Eine ungewollter Manager und Führer, der auf seine "Kinder" ständig und überall aufpassen muss, und als einzig intelligentes Bandmitglied letztendlich am gefährlichsten ist.
Regisseur Koen Mortier steckt nicht nur einen Finger sondern gleich die ganze Hand tief in eine schmerzende, blutige Wunde, und erschafft somit diesen vollkommen zerstörerischen Film, bei dem ich mich schon vor Jahren im Kino gefragt habe, ob es überhaupt ein gelungenes Werk ist.
Die Ideenvielfalt und Thematik versucht nämlich stets alle Dämme der psychischen Erträglichkeit und Brutalität zu brechen. Das ist auf seine Weise schockierend und definitiv fesselnd, aber der Film macht kaum eine Verschnaufpause, sondern zerrt unentwegt am Nervenkostüm des Zuschauers.
Vielleicht ist er aber leichter zu begreifen, wenn man ihm einen Genrestempel verpasst, wie den des expressiven Realismus. Zumindest lenkt man somit seine Form und Aussage in eine leichter zu verdauende Richtung.

3. März 2011

127 HOURS

Danny Boyle (USA, 2010)
Erzählt wird die reale Geschichte des Bergsteigers Aron Ralston, der gerne aus dem Alltagstrott und Großstadthektik flüchtet und sich in den hügeligen National Park in Utah begibt, um in dem felsigen Gebirge rumzuklettern.
Dass er diesen Ort bereits gut kennt sieht man daran, dass er mit jeder Felsspalte bestens vertraut ist, bis er schließlich einen Felsen anpackt, welcher ins Rollen gerät und er mit ihm in eine tiefe Felsspalte abrutscht, wo ihm der gleiche Stein den Arm an der Felswand einklemmt und er für den Rest des Filmes gefangen ist.
An dieser Stelle schwitzt man erstmal kräftig mit, aber nicht nur aus Mitleid, sondern vor allem, weil man als Zuschauer sofort anzweifelt, ob der Film eine solche Idee bis zum Schluss dramaturgisch durchhält, oder noch schneller abschlafft als die eingeklemmte Hand des Protagonisten.
Glücklicherweise kriegt Boyles Film die Spannungskurve, auch wenn er sich viel zu sehr auf aufdringliche Visionen und bildhafte Erinnerungsfestzen seines gefangenen Helden verlässt. Das füllt zwar die inhaltlichen Lücken und bringt uns Ralston als Menschen näher, aber verharmlost den Aspekt der vollkommenen Abgeschiedenheit dieses Ortes, von dem das eigentliche Drama ausgeht.
Insgesamt ist es eine Story, bei der man vermutlich mehr Schwergewicht auf Einsamkeit und Ruhe legen sollte. Ein kleiner Mensch, der alleine kaum im Stande ist, gegen die massive Beständigkeit seiner Umgebung anzukämpfen, so sehr er auch an allem rüttelt, um sich zu befreien. Split Screen-Einsätze, Makro-Aufnahmen und ein aufdringlicher Soundtrack wirken dem leider entgegen; sie zerren in ihrer hektischen Art selbst viel zu sehr an den passiv-monströsen Felsen.
Unterhaltsam, krass und schockierend. Gut aber nicht großartig.

1. März 2011

DER SCHATZ

Georg Wilhelm Pabst (Deutschland, 1923)
Das schönste aus der Stummfilm-Ära stammt in der letzten Zeit wieder mal vom Herrn Pabst. Dieses Mal sein expressionistisches Werk "Der Schatz", eingebettet in eine alte, slowenische Glockengießerei. Hier lebt Meister Hofer mit Familie und seinem Gesellen. Es kommt das Gerücht auf, dass die Türken im 17.Jh in dem verwinkelten Haus einen Schatz versteckt haben sollen. Die Suche geht los und wird zur Besessenheit, führt zur Habgier, Eifersucht und schließlich einem dramatischen Ausklang.
Beachtlich wie modern der Erzählstil schon ist, wie logisch und klar der Regisseur seine Geschichte zu erzählen weiß, ohne in narrative Banalitäten zu verfallen.
Verziert wird das Ganze durch eine grandiose Kulisse, so dass das Haus zu einem eigenständigen Filmcharakter wird. Wie ein poetisch-horrorhaftes Lehmgebilde, schief und organisch. "Caligari" lässt grüßen, bloß ist "Der Schatz" in der Beziehung noch einige Schritte weiter weg vom kulissenhaften Theater und näher an einer greifbaren Wirklichkeit.
Ein extra Leckerbissen ist natürlich, wenn man die Chance hatte, diesen Film mit Live-Klavierbegleitung zu genießen, wie der Film vor einiger Zeit in Wiesbadens Caligari-Kino gezeigt wurde.