9. Oktober 2013

DAS APPARTEMENT

Billy Wilder  (USA, 1960)
Ein Wiedersehen mit Billy Wilders Spottbild auf die Moral der Geschäftswelt; das ist beinahe wie „Mad Men“, bloß 50 Jahre früher entstanden, bzw. in der Originalzeit gedreht.
Ein gigantischer, nicht endender Büro-Wolkenkratzer am Anfang, wo Jack Lemmon als Versicherungsangestellter C.C. Baxter an seinem Schreibtisch sitzt und das Gleiche zu tun scheint, wie seine endlos aneinandergereihten, ameisenähnlichen Kollegen. Er ist Sklave einer einschüchternden Bürokratie, der sich ewig vor seinen Vorgesetzten duckt und klein macht. Er ist ein Zahnrad im undurchschaubaren Gesamtsystem, das nach einem festgefahrenen Prinzip zu funktionieren scheint.
Er ist nämlich gleichzeitig der Typ mit einem Junggesellen-Apartment in Manhattan, einer gemütlichen Wohnung, die er zwar hat, zu der er jedoch dummerweise nicht immer Zutritt bekommt. Baxter stellt nämlich seine eigenen vier Wände anderen, leitenden Angestellten zur Verfügung. Das Appartement wird zur Spielwiese gelangweilter Ehemänner und Bürokraten, wo sie ihren verbotenen Seitensprüngen und anderen, heimlichen Affären nachgehen können. Baxter nimmt das alles hin, sitzt längst verschnupft nach Feierabend auf der Parkbank, gebeutelt, erschöpft und psychisch kleingeprügelt und träumt von den ihm versprochenen Aufstiegsmöglichkeiten.
Shirley MacLaine ist auch dabei, als Lift-Girl in der gleichen Firma, mit der sich das gesamte männliche Personal ein flüchtiges Abenteuer zu wünschen scheint. Nur Baxter selbst, als einzig anständiger Mitarbeiter, empfindet mehr für das Mädchen, welches bedauerlicherweise in eine Liebelei mit dem Firmenchef verwickelt ist. Alle Wege, Intrigen und Probleme führen letztendlich in das berüchtigte Appartement und müssen dort gelöst werden.
Baxter wird dabei durchgehend vor die große Frage gestellt, ob die eigene Karriere verlockender ist, als die Anstrengung, bloß ein guter Mensch zu sein.
Billy Wilder war hier auf dem Zenit seines künstlerischen Schaffens. Es regnete wichtige Filmpreise und lobende Worte und „Appartement“ zählt sicherlich auch zu seinen allerschönsten Filmen. Vielleicht ist es sogar sein wichtigster, auch wenn er immer von der noch größeren Popularität von „Manche mögen's heiß“ überschattet wird. Aber wenn man schon diese beiden Filme überhaupt gegenüberstellen möchte, ist „Appartement“ sicherlich der fiesere und der schwärzere von diesen beiden Schwarzweiß-Filmen, der die Geschäftsmoral einer egozentrischen Businesswelt demaskiert und im Gegensatz zu dem Lemmon/Curtis-Geschlechtertausch ganz ohne Mummenschanz, Frauenfummel und überspitzten Klamauk auskommt. Wilder konnte eben jedes Mal mit seinem ausgetüftelten Humor und der Passgenauigkeit seiner präzis durchdachten Szenenabfolgen, bestens unterhalten und mit dieser speziellen Thematik ohnehin in genügend Wunden bohren. Jack Lemmon glänzt deswegen wie gewohnt und vielleicht auch ein bisschen mehr, doch Shirley MacLaine war nirgendwo so präsent und so aufregend wie in „Das Appartement“.

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