30. November 2010

SOMEWHERE

Sofia Coppola (USA, 2010)
Der Film kommt wie er geht; unscheinbar, still und ausgeglichen, wie ein entspannender Sonntagnachmittag, aber bei grauem Himmel. Zuerst wirkt das wie ein etwas aufdringliches Stillmittel eines Studentenfilms, doch irgendwann beginnt man sich zu fragen, ob diese Sichtweise doch nicht völlig richtig ist.
Es geht um einen erfolgreichen Schauspieler mitten in seiner kreativen und vor allem menschlichen Krise. Es geht um Langweile, Abgeschiedenheit, Identitätssuche. Und schon wieder ist man als Zuschauer zwiegespalten: Sofia Coppola zieht ihre Szenen in die Länge, hält mit der Kamera auf ihren desillusionierten Darsteller, reduziert und reduziert. Und macht sie es sich damit nicht zu einfach? Denn weniger ist in dem Fall eben zu wenig. Ein solider Film, aber flüchtig wie eine kleine Brise. Fazit (und Tatsache): Papa macht die besseren Filme. Immer noch.

25. November 2010

exground Filmfest 23

12.11.10 - 21.11.10, Wiesbaden

Relativ harmlos und schnell zog das diesjährige Wiesbadener Exground an mir vorbei. Kaum Zeit, um sich wirklich darauf einzulassen. Die Entscheidung, welche Filme man überhaupt sehen soll, fällt immer schwerer. Und die Eintrittspreise steigen auch irgendwie. Zumindest kam es mir merkwürdig vor, als ich bei der Kasse in die Schale mit den Festival-Buttons greifen wollte, jedoch gleich darauf hingewiesen wurde, ich müsste 1 € für so ein Ding zahlen. (letztens beim goEast gab's die noch umsonst).

Zu den gesehenen Filmen:
"Tetro" war groß (siehe Beitrag), "Pyatnista" eher nervenaufreibend und die beiden Lommel-Filme wirklich gut. Bei seinem Adolf-Film sogar Tränen gelacht. Fassbinders "Schöpfung", Ulli Lommel kam dieses Jahr sogar höchstpersönlich aus den USA nach Wiesbaden angereist, wo seine Filme in dem etwas unbequem-abenteuerlichen Kulturpalast präsentiert wurden. Leider lief der Film ("Zärtlichkeit der Wölfe") viel zu spät, so dass ich den guten Mann lediglich bei der Einführung sehen durfte, und kurz vor Beginn des späteren Interviews leider geschwind den Raum verlassen musste. Sehr sehr schade. Am nächsten Tag bei "Adolf und Marlene" war er nämlich nicht mehr in der Stadt.

Die gesehenen Filme:

Wladimir Sajkin
PYATNITSA.12 Russland, 2009

Francis Ford Coppola
TETRO
Usa, 2009

Ulli Lommel
DIE ZÄRTLICHKEIT DER WÖLFE
Deutschland, 1973

Ulli Lommel
ADOLF UND MARLENE
Deutschland, 1976

23. November 2010

MARQUIS

Henri Xhonneux, Roland Topor (Frankreich, 1989)
Ich war wohl in der letzten Zeit mehr auf Topors Bücher ("Der Mieter", "Memoiren eines Arschlochs") und Illustrationen fixiert.
Dass aber Topor und der belgische Filmemacher Xhonneux Ende der 80er diese ungewöhnliche Hommage an Marquis De Sade auf die Beine gestellt haben, ist mir völlig entgangen.  
Schriftsteller Marquis (ein etwas lumpiger Cocker Spaniel) hockt in seiner Bastille-Zelle, draußen hängt die französische Revolution schon in der Luft. Alleine ist er aber nicht; als Gefährten und Gesprächspartner hat er seinen eigenen Penis. Ein eigenständiger, zutiefst menschlicher Filmcharakter, der philosophiert, spottet und manchmal auch zu sehr den Mund aufreißt. So was kann nur von Topor kommen.
Und vor allem der Einfall, alle Film-Figuren in Tierkostüme zu stecken, um ihre jeweilige Charakteristik hervorzuheben. Wunderbar.
Ebenso wunderbar das umfangreiche Making Of über die akribische Herstellung der Kostüme, wo man auch mal die schwitzenden Darsteller hinter den Masken sehen darf und sich noch tiefer vor ihrer Leistung verbeugt, wenn man erfährt, dass sie sich beinahe blind und taub zurechtfinden mussten.

17. November 2010

JACK ARNOLD - King of B-Movie

Damit wäre schon mal geklärt, weshalb der Kiemenmensch aus Jack Arnolds "Der Schrecken vom Amazonas" öfters wie betrunken durch die Gegend torkelt, wenn man schließlich erfährt, dass die Schauspieler, die in dem Kostüm drinsteckten, bis zu vier Minuten die Luft anhalten mussten, weil darin kein Luftvorrat eingebaut war.

Wie auch immer: hier eine plakative Verbeugung vor Jack Arnold, dem König des B-Movie, dem Meister der unbeholfenen Symbolik, die zum filmischen Trash führte. Ein Mann, der uns mit einem belehrenden, warnenden Zeigefinger vor einer möglichen radioaktiven Verseuchung und deren Folgen warnen wollte, in dem er lächerliche Plastikmonster und billige Special Effekte auf uns losließ. Der überzeugte Patriot, der die gleichen Kreaturen mit ganzen Kolonnen an Polizei und Militär bekämpfen wollte, um seine Heimat zu retten. Und schließlich der Filmemacher, der mich mit seinen kindlich-naiven Horrormärchen schon immer wunderbar unterhalten hat.



16. November 2010

TETRO

Francis Ford Coppola (USA, 2009)
Gemessen an Coppolas zwei Monstern "Der Pate" und "Apocalypse Now" ist dieser neue Film bloß eine Fingerübung des Altmeisters. Dennoch ein großer Film und vermutlich das Highlight des diesjährigen Exground-Festivals in Wiesbaden.
Eine Art Kazan'sches Familiendrama; ganz im Stil alter Hollywood-Dramen der 50
er.
Dazu noch in Schwarzweiß gedreht; bloß dass Coppola seine Geschichte in Buenos Aires angesiedelt hat; eine exotische Würze.. die Location erscheint so filmisch frisch und unve
rbraucht.  
Den Inhalt zusammenzufassen bedeutet, den Film sofort zu enträtseln, daher lieber kurz und knapp: Bennie (ein sehr toller Alden Ehrenreich, den Spielberg kurz zuvor entdeckt und weiterempfohlen haben soll) arbeitet als Kellner auf einem großen Schiff, das wegen einer Panne in Buenos Aires halt macht. Hier besucht er seinen älteren Bruder Tetro (ein noch viel tollerer Vincent Gallo), der seine Familie verstoßen und sich in der argentinischen Hauptstadt niedergelassen hat. 
Es wird gerüttelt und geschüttelt an alten Familiengeschichten und Tragödien, versteckte Kisten mit Hinweisen auf die eigene Existenz werden aufgerissen, Erinnerungen an verstorbene Mütter und despotische Väter (Klaus Maria Brandauer als großer Dirigentenstar), fellineske Theateraufführungen und schließlich Coppolas Neigung Ballet, Oper und Theater in die Geschichte zu integrieren. Aus dieser Symbiose von Darstellender Kunst und Wirklichkeit entsteht erst die eigentliche Story, oft mit einem subjektiver Blick auf Kleinigkeiten.  
Schwer zu erklären, wo genau die Kraft dieses Filmes liegt. Vielleicht sind es aber die vielen überraschenden Momente: Um auf sich aufmerksam zu machen, klopft Vincent Gallo ganz leicht mit einer Axt gegen die Scheibe, die daraufhin sofort einen Sprung bekommt. Mehr passiert nicht; das vorbestimmte Mordwerkzeug wird erst gar nicht zu einem solchen.Vermutlich liegt hier die Antwort: Coppola weiß zu überraschen. Immer noch. Da kann er sich getrost zurücklehnen und ein Coppola-Weinchen entkorken, denn man kann sich immer noch auf die alten Helden verlassen und muss sich nicht stets neue suchen.

11. November 2010

DIE WEIßE HÖLLE VON PIZ PALÜ

Arnold Fanck, G.W.Pabst (Deutschland, 1929)
Der Titel ist Programm: Das Schweizer Piz Palü ist die Kulisse. Bergsteiger Johannes Krafft unterwegs mit seiner Frau, die beim Klettern in eine Spalte stürzt. Er kann ihren Tod nicht überwinden, selbst Jahre nach dem Unfall, versucht er sich unentwegt an der Nordwand des Gebirges, um diese endlich zu bezwingen.
Ein junges Ehepaar kommt währenddessen in die gleiche Gegend, um die Berge zu erkunden. Sie (die junge Leni Riefenstahl) verfällt dem einsamen Bergsteiger Krafft, der immer noch wie benommen in dem Gebirge umherirrt. Ihr Mann wittert die männliche Konkurrenz, will sich auch als Bergsteiger beweisen. Trottelig wie er sich anstellt, muss er dann aber während einer gefährlichen Tour im kritischen Moment gerade von Krafft gerettet werden.  
Was erstmal nach einem banalen Bergfilm-Melodrama klingt, ist in Wirklichkeit auch gar nicht so weit davon entfernt. Hinzu kommt der visuelle Pathos der hügeligen Landschaft, die großen Gesten der (Stummfilm)Darsteller und die überstrapaziert langen Szenen und Einstellungen.
Doch das Duo Fanck & Pabst auf dem Regiestuhl kann trotzdem großartig unterhalten. Arnold Fanck lieferte die gewaltigen Naturaufnahmen, von G.W.Pabst kommt die narrativ-dramaturgische Seite, die den Film erst zum Film macht und ihn vor allem viel moderner erscheinen lässt, als vieles der damaligen Zeit.
Interessant auch der Fakt, dass die Nazis damals die Szenen mit dem jüdischen Schauspieler Kurt Gerron herausgeschnitten haben, obwohl Hitler durch seine persönliche Zuneigung zu Riefenstahl von dem Film sicherlich prächtig unterhalten wurde.

10. November 2010

DER MEISTER UND MARGARITA

Aleksandar Petrovic (Jugoslawien, Italien 1972)
Nachdem ich kürzlich Bulgakows Roman gelesen habe, erscheint Aleksandar Petrovics Verfilmung von 1972 wie ein schlechter Witz, obwohl ich den Film immer gerne geschaut habe.
Stimmungsvoll ist er ja, und ich hoffe, ich muss von diesem Klassiker auch niemals eine Hollywood'sche Version sehen. Man merkt dem Film trotzdem an, wie schwer er sich tut, vor allem die phantastischen Elemente umzusetzen. Man erwartet bei Bulgakow zwar keine Special Effect-Parade, aber wenn man allein aus techniscen Gründen auf den Kater Behemoth verzichten muss, bzw. dieser auf eine gewöhnliche Schmusekatze reduziert wurde (im Buch kann er reden, hat die Größe eines Menschen und geht aufrecht auf seinen Hinterbeinen), dann bleibt einem eine der tragenden Figuren dieser Geschichte verwehrt, da sie auf diese Weise bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt und verharmlost wird.
Trotzdem mag ich den Film. Er ist immerhin so etwas wie ein Versuch. Alleine Mimsy Farmer als Margarita, mit ihrer aufziehpuppen-artigen Art zu spielen, macht den Film sehenswert.
Und Morricones Glockengebimmel in den Anfangssequenzen, während des Kamerafahrt durch Moskaus schäbige Vorstadt.

9. November 2010

DER WIND IN DEN WEIDEN

Chris Taylor (Großbritannien, 1983)
Damals oft geschaut, als ich noch zu meinen Eltern hinaufschauen musste, schließlich über die folgenden Jahre vollkommen aus dem Gedächtnis entflohen, bis auf paar wenige Bilder, die hin und wieder an die Oberfläche kamen, jedoch ohne Bezug zu einem konkreten Film.
Vor allem den Vorspann hatte ich immer vor Augen, wie die tierischen Helden in den nostalgisch-ovalen Fotorahmen erscheinen. Viele Jahre später brachte mich ein Freund wieder auf die richtige Spur, als ich ihm bruchstückhaft die Bilder aus meiner Erinnerung wiedergab.
Es handelte sich um die britische Stop-Motion-Serie von Chris Taylor nach Kenneth Grahames Roman "Der Wind in den Weiden".
Im Mittelpunkt die vier Freunde Maulwurf, Wasserratte, Dachs und die Kröte, um die das Geschehen
des Waldes umherkreist. Jede der Figuren ausgestattet mit eigenen Charakterzügen, Stärken und Schwächen; ganz wie bei uns, denn nichts anderes sind diese tierischen Wesen: eine Metapher für uns selbst. 
Schon das Kinderbuch von Graham, auf dem das Ganze basiert, wurde als Satire der damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse angesehen. Verschiedene Charaktere, aus unterschiedlichen Schichten und Gesellschaftsgruppen treffen hier aufeinander: Der Adel, der Bauer, der Gelehrte, der Gauner, ihr gemeinsames Zusammenleben, die Abhängigkeit von seinen Mitbewohnern, das Gutbürgerliche, die Sicherung seines eigenen Reviers, aber auch ein Aufruf zur Erhaltung der Umwelt, denn alles Geschichten sind schließlich im Grünen angesiedelt.  
Alles liebevoll inszeniert, jedoch mit einem düsteren Grundton versehen. Beispielweise die Gemütlichkeit und Idylle der detailverliebten Wohnungen der Figuren hat trotzdem etwas melancholisches, signalisierendes, denn der Bezug zu unserer eigenen Realität ist in den Aussagen der einzelnen Geschichten viel zu gegenwärtig.  
Eine kleine Welt für sich, umschlossen von einer totgeglaubten Filmtechnik und Ästhetik. Zum Glück pflastern Leute wie Tim Burton heutzutage mit ihren Puppenfilmen diesen selten genutzten Weg weiter.

8. November 2010

KOMM UND SIEH

Elem Klimow (Sowjetunion 1985)
Einer der besten Filme der letzten Zeit. Klimows „Abschied von Matjora“ war schon groß, aber dieser Film überschattet das meiste kürzlich Gesehene vor allem durch seine expressive Erzählweise.
Es ist die Geschichte des jungen Fljora, der 1943 sein Heimatdorf in der weißrussischen Sowjetrepublik verlässt, um sich den Partisanen anzuschließen und gegen die Besatzer zu kämpfen. Was nach großem Abenteuer klingt, entpuppt sich schnell als todbringendes Martyrium. Schon nach kurzer Zeit fallen die ersten Bomben, machen Teile des Waldes, in dem sich Fljora versteckt, dem Erdboden gleich. Der Held ist völlig paralysiert, der Zuschauer auch, denn die Explosionen erfolgen mit so einer Wucht, dass man meint, man wäre selbst in dem Wald ausgesetzt worden. Eine bedrohliche Kulisse aus Feuer, Rauch und Donnerschlägen, die den Helden in kürzester Zeit sein Gehör kostet. Ein Summen ist nur noch zu hören, sonst nichts mehr; in seinem Kopf und in unserem ebenso.
Er kehrt zurück in sein Dorf, wo zwischenzeitig ein Massaker stattgefunden hat, begibt sich sogleich auf die Flucht, nur um ausgerechnet am eigenen Leibe das Massaker von Chatyn zu erleben (und zu überleben!), bei dem die SS zwecks einer Vergeltungsaktion die Bewohner in eine Scheune treibt und diese anschließend den Feuerflammen überlässt.
Ein monströser Film, so realistisch, unbeschönigt und direkt, wie kaum ein anderer Antikriegsfilm.

7. November 2010

COCO CHANEL & IGOR STRAVINSKY

Jan Kounen (Frankreich, 2009)
Es beginnt mit Stravinkys (Mads Mikkelsen) skandalöser Balletaufführung am Théâtre des Champs-Élysées. Schon das sind filmisch ganz große Momente. Alles wirkt sehr beklemmend, finster, radikal. Die bourgeoise Menge versteht es nicht und tobt, doch Coco (auch im Publikum, gespielt von einer tollen Anna Mouglalis) lächelt auf, ist fasziniert. Daraufhin bietet die junge Modeschöpferin dem Komponisten an, mit seiner Familie auf Ihren Landsitz zu kommen, um dort zu arbeiten. Dieser nimmt die Einladung an und nistet sich mit Frau und Kindern in der Villa ein. Das vorhersehbare passiert natürlich, denn Coco ist jung, attraktiv, ein unabhängiger, moderner Typ, der es schafft, Stravinsky in kürzester Zeit in Ihren Bann zu ziehen.  
Das ganze ist vor allem sehr düster geraten. Keine Bilderbuch-Darstellung von Frau Chanels Welt (auch wenn die Entstehung des legendären No5 nacherzählt wird), sondern eine bewusste Fixierung auf die Affäre der beiden; die Annährung, die Abhängigkeit, das Drama. Zwar inhaltlich sehr ausgeschmückt, denn angeblich war da in Wirklichkeit mehr Freundschaft als körperliche Leidenschaft zwischen den beiden Künstlern, aber das stört alles nicht im geringsten, sondern bietet die Möglichkeit für eine spannungsvolle Geschichte mit zwei überzeugenden Darstellern.

3. November 2010

DIE VERACHTUNG

Jean-Luc Godard (Frankreich, Italien 1963)
Noch nie so gut gefallen, wie bei der kürzlichen Sichtung. Liegt vielleicht aber daran, dass ich mittlerweile mehrere Moravia-Romane hinter mir habe, und vielleicht ist das nicht ganz unwichtig bei der richtigen Einschätzung von Godards Film. Denn was mir so gut gefiel, waren gerade die Moravia-typischen Dialoge zwischen Mann und Frau, eingebettet in dieses Filmbranchendrama. Dieses ständige Aneinandervorbeireden, diese Gemütswechsel, Meinungsschwankungen, nicht zu Ende ausgesprochene Gedanken, alltägliche Wortfetzen, Geschlechter-Spannungen.
Michel Piccoli in seiner ersten Rolle, Fritz Lang spielt sich selbst, Jack Palance ist der Prototyp des ekligen Produzenten-Geldsacks und Brigitte Bardot ist eben Brigitte Bardot. Toller, großer Film, getragen von Georges Delerues wunderbarem „Thème de Camille“, welches die Raffinesse der Villa Malaparte untermalt, deren Dachterrasse so elegant ins blaue Meer hineinragt.
Fast eine filmische Oper… Wie gespannt ich doch jetzt auf den Roman bin.