30. August 2011

EIN JAHR IN DER HÖLLE

Peter Weir (USA, 1982)
Weirs Filmkönnte auch "Ein Jahr in der Liebeshölle" heißen, denn die Geschichte um den australischen Reporter (Mel Gibson), der in den 60ern zu einem Auslandseinsatz nach Indonesien kommt, entwickelt sich nach der Konfrontation mit der britischen Botschaftsangestellten (Sigourney Weaver) zu einem begierigen Liebesmelodrama. Was nicht schlimm ist, aber streckenweise stark von dem gefährlichen und spektakulären Einsatzort ablenkt.
Manchmal entgleitet einem aus dem Bewusstsein, dass da eigentlich ein Bürgerkrieg an die Tür klopft, dass Hunger und Elend auf den Straßen regiert, die Machthaber bloß persönlichen Problemen nachgehen und ausländische Journalisten überall mit einem Messerstoß in den Rücken rechnen müssen.
Aber es ist trotzdem ein guter Film, denn glücklicherweise gibt es ja noch die Figur des kleinwüchsigen Fotografen Billy (toll gespielt von Linda Hunt!); eine Art Schutzengel für Mel Gibson, der dem jungen Reporter unbeschadet alle beruflichen Türen öffnet und mit klugen Ratschlägen immer zur Seite steht. Hat bisschen was von dem Chinesen in Steinbecks "Jenseits von Eden": ein gutherziger Diener, Philosoph und Poet.
Der Film war Peter Weirs letztes Down Under-Werk, bevor ihm anschließend der ganz große Sprung aufs amerikanische Festland gelang. Schade eigentlich. Wäre schön gewesen, wenn der australische Film seinen populärsten Vorreiter länger behalten hätte.

29. August 2011

WERNER HERZOG EATS HIS SHOE

Les Blank (USA, 1980)  
Und weiter geht’s mit dokumentarischen Leckerbissen. Dieses Mal befinden wir uns sogar tatsächlich in einer Küche. Der Leckerbissen sind die Schuhe des deutschen Regisseurs Werner Herzog, der 1980 in einem Wetteinsatz versprach, seinen Schuh zu verspeisen, wenn der Dokumentarlfilmer Errol Morris es schaffen würde, seinen eigenen Film "Gates of Heaven" fertig zu stellen. Morris war bis dahin in verschiedenen kreativen Bereichen tätig, ohne jemals ein Projekt wirklich zu Ende zu führen. Morris' Film wurde natürlich fertig und Herzog hielt sein Wort: man sieht ihn in der Küche wie er den Schuh mit diversen Gemüsesorten und Gewürzen füllt und 5 Stunden im Topf kochen lässt. Anschließend wird der Lederlatschen auf der Bühne vor großem Publikum verzehrt. Das ganze ist eigentlich weitaus weniger spektakulär als es sich anhört: Der Inhalt übertrifft die Form und was bleibt, ist ein kleiner nett gemeinter Doku-Film über Werner Herzog als gemütlich- reservierten Provokateur. Im gesamten Herzog-Œuvre aber sicherlich ein sehenswerter Abstecher.

5. August 2011

WESTWORLD

Michael Crichton (USA, 1973)
Man könnte glauben, Yul Brynner wäre direkt nach "Die glorreichen Sieben" ohne Klamottenwechsel in das Set von "Westworld" reingeritten, auch wenn zwischen beiden Filme immerhin 13 Jahre liegen.
Allerdings hat "Westworld" nichts mit einem Mexikanerdorf zu tun, das man vor Banditen schützen muss, sondern viel mehr mit dem in ferner Zukunft eingerichteten Freizeitpark "Telos", wo sich die Besucher für saftige 1000 Dollar einen Traum verwirklichen können:
Der Besucher kann zwischen drei detailgetreu nachgestellten Welten wählen (der Wilde Westen, Mittelalter und das antike Rom) und eine dieser Welten am eigenen Leib erleben.
So auch Peter Martin und John Blane, die sich für den Wilden Westen entscheiden, da sie gerne mal legal rumballern und einen echten Cowboy raushängen lassen wollen.
Alle drei Welten sind von Androiden bevölkert, die sich auf den ersten Blick vom echten Menschen nicht unterscheiden. Der Reiz an der Sache: man kann sie beliebig oft totschießen, erdolchen, oder sonst wie ins Jenseits befördern; am nächsten Tag kommen die Roboter-Menschen zurück, weil sie nachts von einer Techniker-Crew abgeholt und im Labor repariert werden.
Irgendwo muss es natürlich einen Haken geben, um dieses perverse Spiel bewusst in eine kritische Bahn zu lenken. Die Androiden pfeifen schließlich auf die Unterwürfigkeit gegenüber der Menschheit und lehnen sich auf, in dem sie die Besucher systematisch abschlachten.
Das legitimierte Töten innerhalb dieser perversen Unterhaltungsindustrie wird also in seinem ganzen Irrsinn doch noch gerächt. Das ist thematisch interessant und schockierend und kann sogar formal überzeugen, weil der Film all seine visuellen Tricks dezent einsetzt und uns somit die denkbaren, filmtechnischen Mängel zum Großteil erspart bleiben, die Filme dieser Gattung leider oft mit sich bringen.

2. August 2011

DER WEITE HIMMEL

Howard Hawks (USA, 1952)
Kirk Douglas im Trapper-Gewand und wie er in der einsamen Wildnis doch noch über eine Menschenseele stolpert; den jungen Boone, mit dem er sich anfreundet und sich beide einer Pelzjäger-Expedition anschließen, die mit einem Boot das gefährliche Indianergebiet durchkreuzt.
Man könnte meinen, dass einem abenteuerlichen Buddy-Film nichts mehr im Wege steht, bloß ist sich der Film gerade selbst im Weg. Denn Howard Hawks Werk ist so beladen mit Westernklischees und Groschenroman-Attitüden, dass es an Wunder grenzt, warum das Boot allein unter dieser filmästhetischen Last nicht zu sinken droht.
Es bleibt einem aber auch nichts erspart: Indianer mit Stirnbändern, damit die Perücke nicht vom Kopf rutscht, Pelzjäger mit Waschbärschwanz-Kappe auf den Kopf und die weibliche Blackfood-Geisel, die die Expedition begleitet, ist natürlich eine echt heiße und perfekt geschminkte Vorzeige-Squaw, die den ungewaschenen Bären von einer Mannschaft den Kopf verdreht.
Vermutlich ist es ein Fehler, das Kapitel Howard Hawks gerade mit diesem Film anzufangen: eine äußerst schwache Leistung, albern inszeniert, voller unfreiwilligen Komik und unsinniger Regieführung. Charme hatte es trotzdem. Hawks bleibt deswegen weiterhin im Visier.

1. August 2011

BLUE VELVET

David Lynch (USA, 1986)
Nach vielen Jahren eine Wiederbegegnung mit Frank Booth: Dennis Hopper der Psychopath, der perverse Kidnapper, der seine krankhaft-teuflischen Spielchen mit Isabella Rossellini treibt. Kyle MacLachlan ist der Voyeur im Kleiderschrank, stellvertretend für uns Zuschauer; wir werden integriert und lernen so das Fürchten kennen.
MacLachlan findet am Anfang ein Ohr auf einer Wiese und bringt damit die Geschichte ins Rollen; später legte David Lynch in "Twin Peaks" gleich eine ganze Leiche an den See, und überhaupt sind die Bezüge zu seiner späteren Tv-Serie allgegenwärtig: außer der gleichen Besetzung mit MacLachlan und Jack Nance, fährt auch in "Blue Velvet" öfters ein Baumstamm-Transporter durchs Bild, Rotkehlchen werden erwähnt (und gezeigt), das Cafe erinnert an das Double RR aus "Twin Peaks" und ein ähnlich fauler Swing begleitet musikalisch beide Projekte.
"Blue Velvet" bleibt weiterhin so was wie David Lynchs Vorzeigefilm, der den Wandel der Zeit und den ästhetischen Fluch der 80er Jahre unbeschadet überstanden hat. Es ist immer noch die Mutter aller Spanner-Filme und ein Hinweis darauf, dass der amerikanische Traum von ausgeglichener Idylle nichts weiter ist als ein wackeliges Bauklotz-Gebilde, das bereits beim leichten Anpusten einzustürzen droht, auch wenn Lynch am Ende den märchenhaften Weg wählt, und die Klötze wieder aufsammelt und ein neues Heim aufbaut.
Eine dunkle Stunde der Filmgeschichte; ein Blick unter das Bett während der tiefsten Nacht, wo man das Böse erahnt, aber statt einer Antwort nur finstere Schatten findet.