27. September 2012

ZEIT ZU LEBEN UND ZEIT ZU STERBEN

Douglas Sirk (USA, 1958)  
Vielleicht doch Sirks bester Film? Sein sonst so großes Talent, kleine, menschliche Tragödien zu meterhohen Dramen aufzublasen, übersteigt er einerseits in diesem Film, weil der zweite Weltkrieg als Kulisse alle menschlichen Schicksale zusammenbündelt, aber eben doch als geschichtliches Phänomen die Einzelhandlungen überschattet und in einen Sog aus Ungewissheit, Schutt und Asche mit sich reißt.
Der deutsche Soldat Gräber (John Gavin) erhält nach seinem Rückzug aus Russland endlich den verdienten Heimaturlaub, muss jedoch feststellen, dass von seiner Heimatstadt nicht mehr viel stehen geblieben ist. Verzweifelt sucht er nach seinem Elternhaus, irrt zwischen beeindruckenden Großstadtruinen und lernt Elisabeth (Liselotte Pulver) kennen, die Tochter des damaligen Familien-Arztes, der mittlerweile ins KZ deportiert wurde.
Eine andere Figur ist Gräbers alter Schulfreund Binding (Thayer David), ein Kreisleiter mit protziger Villa, der große Nazi mit Beziehungen, der im materiellen Überschuss beinahe untergeht, Gräber aber mit offenen Armen empfängt und ihm seine Hilfe anbietet.
Gräber und Elisabeth gelingt es schließlich in den Wirren der Kriegszeit zu heiraten, doch die Urlaubszeit verrinnt, weder kann er seine Angehörigen ausfindig machen, noch Binding dazu veranlassen, Elisabeths Vater aus dem KZ zu holen. Die Ehe der beiden ist letztendlich durch den bevorstehenden Front-Einsatz Gräbers gefährdet.
Ein sehr junger Klaus Kinski ist sogar auch dabei, schon hier in einer weniger sympathischen Rolle, jenes aggressiven Untersturmführers, der Gräber die Asche von Elisabeths Vater in einer Zigarrenkiste überreicht.
In seiner Opulenz klingt das alles mehr nach David Lean, als nach Douglas Sirk, das macht den Film schon anders, noch ungewöhnlicher wird er durch den Verzicht auf ein Happy End, man muss es leider erwähnen, weil hier die Stärke des Filmes liegt: es gibt keine glückliche Wiedervereinigung mit der Ehefrau, nachdem sie ihrem Mann an der Front per Brief mitteilt, sie sei schwanger. Sirk lässt seinen Helden sterben, erschossen von einem Zivilisten, den er kurz davor guten Herzens befreit hat.
Ähnlich wie Renoir in seiner "großen Illusion" lässt uns Sirk auch desillusioniert in die Zukunft schauen und hinterfragt mit dem sterbenden Helden den Sinn und Unsinn dieser tragischen Zeit.

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