18. September 2012

360

Fernando Meirelles (Großbritannien, Brasilien, Frankreich, 2012)
Keine Ahnung, weshalb dieser doch so gelungene Film in einer kürzlich gelesenen Kritik dermaßen schlecht wegkam, zwar hat er seine Höhen und Tiefen, und braucht auch etwas Anlauf, doch ist es insgesamt doch ein solider Ensemble-Film, wie ihn vielleicht der alte Robert Altman und Paul Thomas Anderson gemeinsam aus dem Ärmel geschüttet hätten. (würde der eine von ihnen noch am Leben sein).
Liest man was über "360", stoßt man meistens auf Berichte über einen verquirlten Liebesfilm, dessen Beziehungen auf verschiedene Großstädte und Länder verteilt sind, um dann doch noch auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Der Regisseur lenkt auch ein wenig in diese Richtung, weil Rachel Weisz und Jude Law hübsch anzusehen sind, doch menschliche Annäherungen müssen schnell für Grundlegendes Platz schaffen; Meirelles blickt schließlich nicht nur auf die geleckte Geschäftswelt, mit ihrem lüstern-dekadenten Drang nach einem verlockenden Seitensprung, sondern zeigt auch eine slowakische Prostituierte, die international ums Überleben jobben muss und einen kürzlich entlassenen Sexualstraftäter, der durch eine Zufallsbekanntschaft am Flughafen (eine Brasilianerin, die wiederum ihre eigene kaputte Beziehung zu bewältigen versucht) direkt auf Probe gestellt wird, ob er die Finger von ihr lassen kann, wo sie sich sogar freiwillig anbietet. Die Figuren stehen also auch in er einer existenziellen und psychologischen Abhängigkeit zueinander und hängen letztendlich an einer langen Kette, wie das eben im Episodenfilm oft so üblich ist, der keine strickte Grenzen zwischen seinen Geschichten zieht. Sogar der alte Anthony Hopkins baumelt am gleichen Strang, als Fluggast auf der Suche nach seiner vermissten Tochter.
Je deutlicher sich die Puzzlestücke zusammenfügen, um so unausgewogener stehen jedoch die einzelnen Sequenzen zueinander: Weisz & Law vergisst man zB irgendwann fast schon, weil die Flughafenepisode so präsent das Gesamtgeschehen zu bestimmen scheint. Zu viel Konstruktion könnte man dem Film vorwerfen, aber man kommt ja auch nicht um hin, in festgelegten Mustern zu denken,wenn man so vieles erzählen möchte und die Spielzeit einem wie Sand durch die Finger rinnt. Am Ende muss dann der hilflose Regisseur selbst versuchen, den Kreis zu schließen, selbst zu deuten, selbst zu vergleichen; er nutzt das Splitscreen-Verfahren und lässt noch mal alle Figuren ihren eigenen Weg laufen.
Fernando Meirelles bleibt jedenfalls nach "Der ewige Gärtner", "City of God" und "Stadt der Blinden" weiterhin ein Filmemacher, der sein eigenes Meisterwerk noch vor sich liegen hat, der aber mit seinen bisherigen Filmen schon mal über die nötige Bausubstanz verfügt, auf der er so etwas aufbauen könnte.

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