12. September 2012

BILANZ EINES LEBENS

Akira Kurosawa (Japan, 1955)
Es ist immer eine große Rarität, einen alten Kurosawa sehen zu dürfen, der kein historischer Film ist, sondern der seinen Blick auf das "gegenwärtige" Japan wirft.
„Gegenwärtig“ bezieht sich natürlich auf die Entstehungszeit dieses Filmes, in dem Fall das Nachkriegsjapan, das sich einerseits von der Atombombe in Hiroshima und Nagasaki zu erholen versucht, gleichzeitig aber von einer neuen Angst vor dem möglichen Atomkrieg zwischen USA und Russland gezeichnet ist.
Kiichi (Toshiro Mifune) ist der Besitzer einer Gießerei, der panische Angst vor der Atombombe hat, bei jedem Unwetter und Donner zusammenzuckt, weil er glaubt, die Bombe würde ihm gleich um die Ohren fliegen. Ein Mann, der nur noch in Furcht lebt und den festen Plan hat, seinen Krempel zu packen und mit der gesamten Familie nach Brasilien auszuwandern, wo er wieder eine neue Fabrik hinstellen will. Doch keiner will mit, keiner teilt diese panische Furcht des alten Familienoberhaupts, jeder ist viel zu fest mit seiner Heimat verwurzelt, jeder lebt sein Leben mit dem Gewissen, dass man im schlimmsten Fall sowieso machtlos ist.
Damit der alte Herr mit seinem Vermögen nichts unüberlegtes anstellt, wird er schließlich auf Veranlassung seiner Familie entmündigt. Im Höhepunkt des Filmes brennt schließlich der alte Kiichi seine eigene Fabrik ab, damit sie keinem in die Hände fällt und damit die endgültige Umsiedlung nach Brasilien abzusichern, was ihm jedoch lediglich den Weg ins Gefängnis ebnet.
Sicherlich wieder ein aktuelles Thema für die Japaner und den Rest der Welt, bloß schade, dass diese übertriebene Phobie des Protagonisten so selten zum Vorschein kommt. Es blitzt zwar einige Male draußen und Mifune springt jedes Mal auf, wenn ein Donner den Himmel erhellt, doch das reicht nicht  für diesen subjektiven Gefahrenblick und seine Pläne lassen sich nur erahnen aber kaum am eigenen Leibe spüren. Irgendwie scheint der Film Kurosawa aus den Händen zu gleiten; er spricht die familiär-existenziellen Probleme an, doch vernachlässigt eine ausgiebige Studie seiner Hauptfigur, die ja schließlich die eigentliche Kritik an Nuklearwaffen in sich trägt. Es hätte so viel mehr sein können; mehr von der großen Posen, wie sie schon im dramaturgisch-theatralischen Höhepunkt der niedergebrannten Fabrik angedeutet werden.

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