14. Januar 2014

DER MANN OHNE VERGANGENHEIT

Aki Kaurismäki  (Finnland, Deutschland, Frankreich, 2002)
Weiterer Beitrag zur Helsinki-Trilogie. Dieses Mal eröffnet Kaurismäki seinen Film mit einem kräftigen Schlag auf den Hinterkopf; so radikal wurde nur selten ein Protagonist eingeleitet, dessen Vorgeschichte, Beruf und Name bereits von Anfang an vollständig ausgelöscht werden. Er wurde auf einer Parkbank sitzend überfallen und von seinen Peinigern brutal zusammengeschlagen. Doch tot ist unser namenloser Held (Markku Peltola) noch lange nicht. Er wacht im Krankenhaus aus seinem Koma auf und sorgt zunächst mit seinem mumienhaften Aussehen für reichlich altmodischen Trash-Horror-Humor, wenn er sich etwa die verbogene Nase im bandagierten Gesicht selbst zurechtbiegt.
Für Kaurismäki-Verhältnisse ist das ein groteskes und action-reiches Eröffnungsszenario, das schnell von einer Selbstfindungsgeschichte abgelöst wird. Der Namenlose leidet am kompletten Gedächtnisschwund und beginnt ein neues Leben am Rande des Existenzminimums. Er wohnt in einem rostigen Schrottcontainer nahe am Fluss und trägt Klamotten, die er von der Heilsarmee gespendet bekommt. Er lernt eine Heilsarmistin (Kati Outinen) kennen und gewöhnt sich zunehmend an das karge Umfeld und die schroffen Menschen aus der Unter-Unterschicht. Doch bevor er sich mit diesen neuen Umständen wirklich abfinden kann, holt ihn sein altes Leben doch noch wieder ein. Plötzlich hat er wieder einen Namen und eine greifbare Vergangenheit, an die er sich jedoch weiterhin nicht erinnern kann.
Kaurismäki blickt hier auf die schwächsten der Schwächen, deren Persönlichkeiten selbst immer ausgelöscht zu sein scheinen und als abgewetzte Gespenster am Rande ihrer selbst umhertaumeln. Lakonische Überlebenskunst getunkt im finnischen Neo-Realismus. Und es gibt wieder eine Menge Musik, weil sich der Mann ohne Vergangenheit in seinem neuen Dasein sogar als Bandmanager versucht.

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