31. Juli 2013

PAULETTE

Jérôme Enrico  (Frankreich, 2013)
Man muss zuallererst zugeben, dass der Regisseur mit Bernadette Lafont einen verlockenden Köder für den Zuschauer auslegt. Die Schauspielerin hatte vor einigen Jahrzehnten als junge Frau bei Leuten wie Truffaut, Chabrol und Rivette angefangen und war damit sogar bei der Geburt der französischen Nouvelle Vague zugegen. Sie lebt immer noch, ist bester Gesundheit und hat auch im hohen Alter genug Ausstrahlung, um in Enricos Film die Paulette zu verkörpern.
Diese hat schon ein paar Jährchen auf dem Buckel, trauert ihrem verstorbenen Ehemann nach und fristet ihr Dasein großteils isoliert in einer längst unbezahlten Mietwohnung. Die Schulden häufen sich an, die Behörden klopfen an die Tür und Paulette ist zu all dem ein verbitterter, griesgrämiger Charakter mit deutlich ausgeprägter Tendenz zur Fremdenfeindlichkeit. Dass der kleine Sohn ihrer Tochter, auf den sie öfters aufpassen muss, auch noch schwarz ist, macht die Sache für beide Parteien nicht gerade einfacher. Paulettes rassistische Äußerungen bekommt ihr Enkel dann auch direkt ins Gesicht geschleudert. Sie macht  jedoch auch keinen Halt vor nicht-farbigen Mitbürgern, so bald sie ihr auf irgendeine Weise im Wege stehen und beleidigt sie ebenso mit verletzenden Bemerkungen.
Man muss diese Figur zuerst von allen ihren fiesen Seiten beleuchten, weil sie leider zu einem grundlegenden Problem dieses Filmes führen. Wenn nämlich Paulette irgendwann damit anfängt, als Dealer zu arbeiten und in der Umgebung als Drogen-Oma bekannt wird, hat dieser filmische Einfall leider nur noch halb so viel Kraft und Witz, wie er eigentlich haben könnte. Es fehlt der Kontrast zwischen einer „herkömmlichen“ Oma, wie wir sie alle kennen und dem plötzlichen Wandel zu einer durch und durch kriminellen Senior-Femme Fatale, die vor nichts zurückschreckt, um an Geld heranzukommen und erst dann von Gewissensbissen eingeholt wird, sobald unschuldige Schulkinder als potenzielle Kunden herhalten sollen. Der Charakter erlebt keinen krassen Bruch oder plötzlichen Wandel, sondern rutscht immer tiefer hinab, um am Ende einsichtiger zu werden. Was ja nicht verkehrt wäre, wenn der Film keine komödiantischen Absichten hätte. Der Schock ist zu gering, weil die Figur zu kontrastarm ist. Dafür drängt sich das Fremdenfeindliche in zu vielen Phrasen und aufdringlichen Gags auf.
Es bleibt bei einer netten Zwischendurch-Komödie und zumindest bekommt man Hunger auf Backwaren. (Genügt ruhig auch ohne bewusstseinsverändernde Zutaten).

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hab ich auch gerade gesehen/rezensiert. Muss dir Recht geben, ist schon ganz nette Unterhaltung. Aber leider auch nicht mehr. Der Wandel der Hauptfigur war tatsächlich nicht so überzeugend.

Beste Grüße
Deborah