4. August 2013

DIESES OBSKURE OBJEKT DER BEGIERDE

Luis Buñuel  (Frankreich, Spanien, 1977)
Wie verwunderlich, dass sich bereits Josef von Sternberg und auch Julien Duvivier vor langer langer Zeit mit ihren filmischen Varianten („Die spanische Tänzerin“ von 1935 und „Ein Weib wie der Satan“ von 1958) an die literarische Vorlage von Pierre Louys herangetastet haben. Vergleiche kann ich leider nicht stellen, da mir diese beiden Frühversionen unbekannt sind.
Buñuels "Begierde"-Film ist leider sein letzter gewesen, bevor der Meister einige Jahre später zu großem Bedauern verstarb. Es ist nicht nur sein letzter Film, sondern gehört auch zu seinen schönsten und außergewöhnlichsten Werken, wenn sich das in dieser vielseitigen und stets innovativen Laufbahn überhaupt noch hervorheben lässt.
Der Film genießt vor allem das Privileg, durch einen originellen Einfall immer in Erinnerung zu bleiben. Buñuel besetzte nämlich die Figur des Hausmädchens Conchita gleich mit zwei Darstellerinnen, machte damit Angela Molina und Carole Bouquet zu Weltstars und bereitete den Zuschauern gleich eine doppelte Freude, da wir beobachten dürfen, wie sich die Beiden von Szene zu Szene abwechseln und doch nur eine einzige Frau verkörpern. Ein ständiger Austausch, für den uns der Film jedoch keine rationale Begründung liefert; Buñuel lässt uns lieber mit einem Symbol alleine dastehen. Keine Ahnung, was da in Louys Roman so steht, aber interessant ist vor allem, dass sich ein solcher Einfall einzig im Filmmedium umsetzen lässt, wenn der Zuschauer vor der Herausforderung steht, selbst optisch differenzieren zu müssen.
Der Film lebt dermaßen von der Idee der zweigeteilten Einzelrolle, dass man beinahe den Plot vergisst: Da ist zuallererst der Pariser Geschäftsmann Mathieu (Fernando Rey), der kurz vor Abfahrt seines Zuges nach Madrid, eine bis dahin unbekannte Frau mit einem Eimer Wasser überschüttet. Er bleibt nicht unbeobachtet und die neugierigen Mitreisenden werden zu Zuhörern seiner fesselnden Erzählung, wie er damals diese Frau (also Conchita) kennenlernte, wie sie bei ihm als Hausmädchen angestellt wurde, wie er versuchte sie mit Geld und Geschenken zu erobern, wie er ihr schließlich sogar eine Wohnung kaufte und wie sie ihn mit anderen Männern betrog und letztendlich ausnutze und ihm am Ende schließlich direkt ins Gesicht faucht, wie sehr sie ihn in Wirklichkeit verabscheuen würde.
Je länger man den Film schaut und sich diese beiden, unterschiedlichen Frauen ständig abwechseln sieht, so nahtloser erscheint einem dieser Wandel und die Grenze zwischen zwei Persönlichkeiten verwischt allmählich. Das Objekt der Begierde, nach dem Fernando Rey hinterherhechelt, ist eben keine bestimmte Frau, sondern das weibliche Geschlecht im Allgemeinen. Damit verpackt Buñuel Geschlechter- und Klassenkämpfe und schmuggelt sogar politische Raufereien hinein, in dem eine revolutionäre Kämpfergruppe öfters Bomben hochgehen lässt, dass man bei den gut platzierten Explosionen beinahe von der Couch rutscht.
Buñuel, Molina, Bouque, Rey... was will man noch mehr!

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