22. Juli 2013

ROM, OFFENE STADT

Roberto Rossellini  (Italien, 1945)
Rossellinis Eröffnungsfilm zu seiner Trilogie (die ich momentan blöderweise in unlogischer Reihenfolge schaue) und gleichzeitig das Kernstück des Neorealismo, wenn auch etwas überschätzt und bei Weitem nicht so schön, wie etwa De Sicas "Fahrraddiebe".
Rossellini erzählt vom besetzten Rom, im Sommer 1943, als sich verschiedene Gruppierungen aus Kommunisten, Sozialisten und sogar ein Priester zum Widerstand gegen die Nazis und die italienischen Faschisten verbündet haben. Die Sperrstunde beherrscht das Kommen und Gehen von allen Beteiligten und der Gestapo-Kommandeur Bergmann (Harry Feist) erschwert zusätzlich durch seine Spionage-Aktionen, Hausdurchsuchungen und Verhaftungen das Bestreben der Wiederständer, sich aus den Fängen der Besatzer loszulösen.
Natürlich gibt es hier die großartige, ewig zitierte Szene, wie die Nazis eine Razzia vornehmen und den politisch verdächtigen Francesco verhaften. Er ist gleichzeitig der Verlobte von Pina (Anna Magnani), was zu dem dramatischen Moment führt, wie sie ihrem Geliebten flehend hinterherläuft, seinen Namen ruft während man ihn abführt, und wie sie mitten auf der Straße erschossen und gekonnt von der Kamera erfasst wird, während die Dramaturgie auch in der Musik anschwellt. Sie fällt, ihr Kleid rutscht hoch; Leben, Tod & Erotik für kurze vereint. Rossellini und seine leicht wackelnde Kamera. Der Moment wird zwar nahe heranholt, aber dennoch aus größerer Entfernung gefilmt; der Regisseur gehört bloß zur gaffenden Menschenmenge am Straßenrand.
Die Bilder sind wieder mal zum Greifen nahe und wir haben zumindest in dieser Szene den Realismus in vollendeter Form, doch der Film besteht nicht nur aus diesem einzigen filmischen Moment, der in gewisser Weise eh entkräftet wird, weil er mit einer anderen Szene zusammentrifft, die den Film ins Klamaukige überschwenkt: der kranke Großvater, der sich bei einer Hausdurchsuchung weigert, einen Toten zu spielen und vom Priester mit einer Bratpfanne bewusstlos geschlagen werden muss.
Don Pietro Pellegrini bleibt ohnehin die Figur, die man am meisten ins Herz schließen möchte. Er ist der allzeit beschützende und Trost spendende Geist, der am Ende doch nichts ausrichten kann und in der schockierenden Schlussszene exekutiert wird.
Unvergesslich bleibt noch die starke Dialog- bzw. Monolog-Sequenz, als sich ein deutschen Offizier in Anwesenheit anderer hoher Nazi-Tiere kritisch über die deutsche Herren-Rasse äußert, weil der Deutsche als Verantwortlicher für den Weltkrieg in ganz Europa sowieso bloß gehasst werden kann.
Trotz ergreifender Einzelschicksale und zwischenmenschlicher Tragödien, erweckt der Film dennoch den Anschein, dass viel zu viele Uniformierte, das Geschehen beherrschen, die mit verdächtigem Blick an ihren Schreibtischen sitzen. "Rom, offene Stadt" bleibt daher irgendwie ein kühles und strenges Werk, oftmals viel mehr ein unmittelbares Zeugnis der Kriegszeit, als das, was er vielleicht wirklich sein möchte.

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