11. Juli 2013

BERÜHRE NICHT DIE WEIßE FRAU

Marco Ferreri  (Frankreich, 1974)
Nach seinem größten kommerziellen Erfolg, bzw. dem Skandal um "Das große Fressen", versammelte Marco Ferreri ein Jahr später noch einmal die gleiche Schauspieler-Truppe (Marcello Mastroianni, Ugo Tognazzi, Michel Piccoli und Philippe Noiret) und vervollständigte sie noch durch die reizende Anwesenheit von Catherine Deneuve. Der filmische Unfug findet sich hier in einer noch gesteigerten Form, er provoziert bloß auf eine ganz andere Weise als zuvor beim "großen Fressen".
Ferreri wollte zu der Zeit unbedingt den Vietnamkrieg metaphorisch verarbeiten und näherte sich dieser großen Tragödie von einer ganz ausgefallenen Seite: Er rollte noch einmal die Geschichte der legendäre Schlacht am Little Big Horn auf, legt Mastroianni als General Custer eine lange Perücke auf den Kopf, setzt Piccoli als Buffalo Bill auf ein Pferd und steckt Alain Cuny in die Klamotten des Sioux-Häuptlings, Sitting Bull. Die historischen Kostüme sorgen jedoch für reichlich Verwirrung, weil Ferreri seinen Darstellern eine völlig moderne Kulisse entgegensetzt. Die sonst so üblichen endlosen Weiten der Prärie ist hier nichts anderes als eine riesige Baugrube mitten in Paris der 70er Jahre, mit all den knatternden Maschinen, schwingenden Einreißbirnen und modernen Hausfassaden drumherum. Hier treffen also historische Soldatenstiefel auf Chucks und Mokassins auf High Heels. Und überall schaut Präsident Nixon vom aufgehängten oder aufgestellten Porträt, mit beobachtendem Blick.
Zuerst ist man verunsichert, aber irgendwann hat man als Zuschauer keine Wahl mehr, und muss geschlagen akzeptieren, dass in diesem Film einfach nichts unmöglich ist und er sämtliche Regeln der historischen Logik und optischer Konsequenz mit Leichtigkeit durchbricht. Selbst wenn man sich diesem Film schriftlich nähern will, vergisst man auf den Inhalt einzugehen, so dominant präsentiert er sich von seiner visuellen Seite.
Man könnte dennoch einen kompakten Versuch starten und die Handlung aus dem optischen Dickicht befreien: General Custer wird von Politikern dazu beauftragt, das Volk der Indianer endgültig zu vernichten, die Aufgabe erweist sich aber schwieriger als gedacht, weil ihm zum Einen Buffalo Bill die Show stiehlt und er natürlich auch längst einen lüsternen Blick auf Catherine Deneuve geworfen hat. Custer kann also in all seiner Eitelkeit bloß weiterhin seine lange Haarpracht im Spiegel betrachten, während er zwischen all den kriegerischen und menschlichen Verpflichtungen hin- und hergerissen ist.
Ob das dann noch ein guter Film ist; diese Frage könnte man sich unter Umständen noch stellen. Verrückt und konfus ist er, erinnert in seiner Absurdität an Monty Pythons Albernheiten, wenn die Briten versucht haben, Stile und Welten satirisch zu vermischen. Letztendlich wird er aber dadurch auch ermüdend und ein schnelles Opfer des klassischen Problems, wenn Form über den Inhalt hinauswächst. Zu viel ist eben zu viel. Sehenswert bleibt er dennoch, alleine schon weil man hier so viele bekannte Gesichter in ihren vielleicht merkwürdigsten Rollen wiederfindet.

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