2. Juli 2013

DER MIETER

Alfred Hitchcock  (Großbritannien, 1927)
Die Chronologie des Suspense-Urgroßvaters zurückzuverfolgen und irgendwann bei seinen britischen Stummfilmen einzutrudeln, ist natürlich etwas ganz Feines, denn nur die ganz Wenigen können voller Stolz auf ein Gesamtwerk zurückblicken, das vom Stummfilm bis hin zum farbigen Tonfilm reicht und diese lange Zeitspanne auch noch von so vielen Erfolgen geprägt ist.
Hitchcocks "Mieter" ist also die Geschichte vom Londoner Nebel, wie schon am Anfang verkündet wird, und neblig wird es hier zunehmend, je mysteriöser das Geschehen sich gestaltet. Der Rächer oder "Avenger", wie er selbst seine Tatorte signiert, ist ein vermummter Wüstling, der es auf blonde Frauen abgesehen hat. Ganz London zittert vor Angst, als sich die Nachricht in Windeseile in den Zeitungen verbreitet, auch wenn manch eine Dame sich darüber schmunzelnd dunkle Locken unter den Hut steckt, um nicht sofort als Blondine entlarvt zu werden.
Hitchcock verrät erstmal nichts über den Täter, sondern führt die Figur eines nicht minder mysteriösen Untermieters ein, der in ein Zimmer einzieht, das von einem älteren Ehepaar vermietet wird. Deren junge Tochter Daisy verfällt zunehmend dem geheimnisvollen (und viel zu aufdringlich geschminkten) Mann, wohingegen ihre alte Mutter misstrauisch sein nächtliches Kommen und Gehen beobachtet. Dazu gesellt sich noch Daisys Freund, ein Polizist, der den mordenden Rächer überführen soll und dem die Anwesenheit des Mieters ebenso verdächtig vorkommt.
Täter und Mieter scheinen also kaum noch voneinander trennbar zu sein; man wird beinahe selbst zum Schnüffler, aber kommt eh nicht dahinter, was sich der junge Hitchcock hier für die Auflösung ausgedacht hat.
Der Regisseur lernte zu der Zeit die deutschen Expressionisten kennen, was man auch auf Anhieb an allen schattigen Ecken und Gassen erkennt, denn es sind ganz offensichtlich deutsche Schatten, die hier Englands Metropole so herrlich schaurig einhüllen, wie man sie sonst bei den Herren Lang und Murnau vorfindet. Manchmal bekommen sie sogar symbolische Züge, wenn sie vom Fensterrahmen geworfen ein kreuzförmiges Abbild auf dem Gesicht des potenziellen Schurken aufmalen.
Trotz offensichtlicher Einflüsse, ist man hier aber immer noch (oder gar zum ersten Mal!) bei Hitchcock aufgehoben, weil die Figur eines zu Unrecht Beschuldigten öfters gerne seine Filme ziert. Selbst mit der angedeuteten, sich heranschleichenden Bedrohung während der Badeszene, könnte man einen großen Bogen zur legendären "Psycho"-Dusche schlagen.

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