16. April 2012

SHAME

Steve McQueen ( USA, 2011)
Zuerst hat man den Eindruck, "Shame" wurde schleunigst ins Spätprogramm der Kinos verbannt, um Jugendliche und (andere) zartbesaitete nicht zu verschrecken. Gibt schlimmeres als einen nackten Pimmel, könnte man denken; das ist eh ein altes Thema für die es scheinbar niemals eine Lösung geben wird: die Sehgewohnheiten, das Was-darf-wer-sehen.
Steve McQueen dringt natürlich in andere Sphären hinein, wo es um weit aus mehr geht, als um reinen Sex; verstörend ist sein Film mit Sicherheit. Der Regisseur hat gründlich recherchiert und ein Kapitel der menschlichen Schwächen aufgeschlagen, das bis dato selten im Film thematisiert wurde.
Brandon (Michael Fassbender) ist ein junger Mann mit gutem Job und einer Wohnung, die sich zeigen lässt. Das Materielle ist abgesichert, doch für das wahre Menschliche bleibt kein Platz mehr. Denn da gibt es seine Sexsucht, die sein Leben so tragisch gestaltet und ihn privat so verausgabt.
Der Regisseur macht das geschickt; erweckt großteils den Anschein, sein Thema wäre die Einsamkeit, denn sein Protagonist ist eine tragische Figur, die von Partnerin zu Partnerin hechelt, der lediglich seinen Trieben folgt und jedem Annäherungsversuch, der sein wahres Ich durchleuchten könnte, mit Widerstand entgegentritt oder ihn erst gar nicht zulässt. Der Besuch seiner Schwester bringt seinen Lebensrhythmus endgültig durcheinander; sie braucht selbst (seine) Hilfe und droht ihn damit zu entlarven, in sein Seelenleben vorzustoßen, ähnlich wie seine Arbeitskollegin, die ihm beim gemeinsamen Date zu viele Fragen stellt. Es folgen weitere Ängste, Selbstzweifel, Scheitern, Eifersucht, alles staut sich an, irgendwann schließlich der Besuch des miesesten Schwulenclubs in einem dreckigen New Yorker Keller.
Gründe für all das werden bloß angedeutet, aber nicht wie ein großes Tuch auf dem Tisch ausgebreitet. Das Hinterfragen überlässt uns McQueen selbst; er möchte vor allem auf eine weitere, ernsthafte Variante der menschlichen Sucht hindeuten.
Gekonnt gemachtes Kino; voller Spannung auf "Hunger" verbleibend.

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