25. April 2012

goEast 2012

18.04.12 - 24.04.12, Wiesbaden

Und wieder war Festivalzeit in Wiesbaden, und wieder ist auch alles vorbei und Schnee von gestern. Die 5er-Karte im Geldbeutel, ein Programmheft mit lauter Fragezeichen, und erneut ging es darum, aus der Fülle 5 Perlen herauszufischen. Denn Festivals bleiben nun mal ein Lottospiel; könnte man länger und tiefer tauchen, würde man auch mehr Schätze bergen können.
Erste Wahl fiel auf alte russische Animationsfilme aus der Stummfilmzeit; alle in einem Sack gebündelt und letzte Donnerstag präsentiert. Einige darunter wurden jetzt erst nach über 70 Jahren wiederaufgeführt. Ein großes Abenteuer also, was vor allem durch den Fakt bekräftigt wurde, dass die Kopien zu schlecht waren, um die Filme in voller Länge oder ohne Unterbrechungen zu zeigen.
Die alten Russen hatten es jedenfalls sehr mit knuddeligen Tieren. Frösche, Füchse und weiß der Teufel, was da noch alles zu sehen war, aber auch einige Werke, die stilistisch einen viel individuelleren Weg einschlugen. Bloß die sogenannten "Experimentalfilme", die mit viel Pomp angekündigt wurden und das Programm abschließen sollten, waren für heute Sehgewohnheiten eine lahme Erfahrung.
Freitagabend dann „Die Überreste eines Imperiums" (von Friedrich Ermler) über einen russischen Unteroffizier, der sein Gedächtnis verloren hat und auf der Suche nach seiner Identität ist. Großes Kino, bester Film dieses Jahr, und dazu noch eine absolut neuartige Erfahrung, da der Film nur  ohne Tonspur gezeigt werden konnte; zu hören waren bloß knurrende Bäuche der Zuschauer.
Am Samstag fiel die Wahl auf "Monolog" (von Ilya Averbakh). Gekonnt erzählt und inszeniert, aber  von der Sorte Film, die an einem vorbeiziehen, ohne etwas zu hinterlassen und schnell in Vergessenheit geraten.
Mit großer Erwartung ging man schließlich in Otakar Vávras "Hexenjagd". Vávra soll den frühen Forman und Menzel geprägt haben, aber wohl hoffentlich nicht mit diesem Film, der mit der doch sonst so schwungvollen Inszenierung alter, tschechischer Filme kaum etwas gemeinsam hat. Der Film reiht verschiedene Fällte von Hexenprozessen aneinander, studiert aber seine Figuren kaum, sonder bleibt durchgehend geschwätzig, bei einem Thema, das eigentlich viel Potential hat.
Das diesjährige goEast wurde aber nicht vollkommen von einem dunklen Schatten überzogen, denn als kleinen, aber feinen Glanzmoment gab es da noch "Vier Sonnen" von Bohdan Sláma, der eigentlich schon letzte Woche als Eröffnungsfilm gezeigt wurde. Eine kluge Familientragödie, die gekonnt ihre Balance zwischen Tragik und der vielen satirisch-heiteren Einfälle halten kann.
Der Familienvater ist mit sich selbst und seiner Familie überfordert, seine Frau schläft mit dem Klassenlehrer ihres Sohnes, der wiederum wird Punk (zumindest äußerlich in seiner verunsicherten Lebensphase) und nicht zu vergessen der irre Althippie von nebenan, der sich als spirituelles Medium betrachtet, doch alle seine Mitmenschen  ins Nichts führt.
Der anfängliche Eindruck täuscht also, dass es das schwächste goEast bisher gewesen ist; immer noch eine handvoll Filme, die man irgendwann gerne wiedersehen würde.

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