5. September 2013

UNTER DEM SAND

François Ozon (Frankreich, 2000)
Bevor Ozon die wunderbare Charlotte Rampling in "Swimmingpool" in ihre schriftstellerische Abgeschiedenheit verbannte, quälte er sie erstmal als Marie in " Unter dem Sand". Sie macht gemeinsam mit ihrem Ehemann Jean (Bruno Crémer) den alljährlichen Urlaub am Strand, wo Jean plötzlich spurlos verschwindet, nachdem er von seiner Stranddecke aufsteht, um im Meer zu baden. Marie kann ihn selbst mit herbeigeholter Hilfe nirgends finden und der Film beendet dieses tragische Ereignis mit einem harten Schnitt, in dem er ein wenig Zeit vergehen lässt und sich auf Maries Alltag in Paris stürzt.
Der Plot ist damit schnell erzählt, weil François Ozon seine Geschichten gerne klar, schlicht und logisch aufbaut, ganz geradlinig, ohne in unnötige Ausschmückungen abzuschweifen. Der Zuschauer ist dennoch verunsichert und streckt die Hände nach einer greifbaren Erklärung, weil Marie sich vollkommen anders bzw. den Umständen entsprechend unnatürlich verhält, als man es sonst von jemandem erwartet hätte, der auf so eine rätselhafte Weise einen geliebten Menschen verliert.
Marie kapselt sich ab und umgibt sich von einer eigenen Scheinwelt, in den immer noch alles beim Alten und in bester Ordnung ist. Für sie ist Jean niemals verschwunden, sondern lebt mit ihr nach wie vor in ihrer gemeinsamen Wohnung; er ist immer noch der Mann, der auf sie wartet, wenn sie von der Arbeit nach Hause kommt, der abends neben ihr einschläft und morgens bei ihr am Frühstückstisch sitzt. Maries Mitmenschen nehmen natürlich ihr seltsames Verhalten wahr; zwar besorgt, doch eher stumm, um ihre Illusion nicht zu zerstören. Gefährdet bleibt diese Scheinwelt ohnehin, weil äußere Einflüsse sie schnell wieder wie eine Seifenblase zerplatzen lassen können. Etwa wenn ihr die Polizei eine Nachricht bezüglich des vermissten Ehemanns auf dem Anrufbeantworter hinterlässt, sie aber sofort die Löschtaste betätigt.
François Ozon faulenzt hier ganz eindeutig im Schatten seiner selbsterschaffenen Ausgewogenheit, aber fesselt sowieso, weil Charlotte Rampling sich in ihrer hypnotischen Art dem konventionellen Verlauf der Geschichte widersetzt. Und wir sitzen da und warten auf eine Explosion, die nicht kommt, die auch nicht zu kommen braucht, oder die längst schon dagewesen ist, uns aber verwehrt wurde. Der Film ist ohnehin lieber auf leisen Schleichwegen unterwegs; umso verstörender ist seine Einsamkeit-verheißende, ewige Stille.

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