23. September 2013

DURST

Ingmar Bergman  (Schweden, 1949)
Es geht weiter mit Bergman. "Durst" stand lange auf der Liste; wieder so ein wenig geläufiger, früherer, beinahe vergessener Film des großen Meisters. Sollte nach dem Misserfolg von "Gefängnis" den Karren wieder aus dem Dreck ziehen. Keine Ahnung, wie "Durst" dann beim breiteren Publikum wirklich ankam, denn er ist sperrig und einengend. Ein beinahe ausgereifter Bergman eben und er hat sogar Bezüge zum deutschen bzw. italienischen Trümmerfilm.
Wir befinden uns nämlich im zerbombten Deutschland, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, jedoch völlig eingeengt in einem Hotelzimmer mit Rut (Eva Henning) und ihrem Ehemann Bertil (Birger Malmsten), die dort schlafen und wortlos herumlungern. Jeder ist erst einmal mit sich selbst beschäftigt, schläft oder wacht, erinnert sich an seine eigenen, früheren Liebesgeschichten, sehnt sich womöglich nach alten Zeiten, reflektiert das Damals und das Jetzt und überlegt ob der derzeitige Zustand der beste ist.
Irgendwann reden sie dann doch miteinander und verlassen sogar diesen dunklen Raum, um mit dem nächsten Zug Richtung Stockholm, Richtung Heimat aufzubrechen. Im Waggon wird auch der tragische Handlungsort zum ersten Mal spürbar, wenn plötzlich die bröckelnden, gespenstischen Hausruinen als nächtliche Silhouetten an den Fenstern des Zuges vorüberziehen und bettelnde Einwohner den Zugreisenden ihre leeren Hände entgegenstrecken.
Bergman entfernt sich aber schnell vom vermuteten Neorealismo und nutzt die zerbombten Überbleibsel als seelische Hintergrundkulisse, die lediglich angedeutet wird. Es sind aber nicht bloß die Kriegstrümmer, die man auf die brodelnde Unruhe der Figuren projizieren kann; der Zug selbst sorgt für reichlich stürmischen Dampf und lautes Rattern, so dass die beiden Liebenden zusätzlich innerlich und körperlich durchgeschüttelt werden.
Die Kamera bleibt ihnen stets dicht auf den Fersen, obwohl die Bilder noch nicht von Bergmans Haus-Kameramann Sven Nykvist stammen, sind aber ebenso gut und kraftvoll, wenn sich die Kamera aus unmittelbarer Nähe an den Gesichtern entlanghangelt. Das sind ganz außergewöhnliche,  innovative Blicke und Sichtweisen, wie man sie 1949 kaum zu sehen bekam und die schon damals, also fast von Anfang an Bergmans Handschrift festigten.

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