9. September 2013

BILLY ELLIOT

Stephen Daldry  (Großbritannien, 2000)
Da haben wir den schmissigen Kinohit, der bis heute mit gigantischen Leuchtreklamen auch die Londoner Musical-Spielstätte schmückt. Man möchte natürlich endlich wissen, was dahinter steckt; komisch eigentlich, ihn erst jetzt gesehen zu haben.
Der Film umhüllt sein Grundthema erstmal mit der Hintergrundkulisse des Bergarbeiterstreiks von Nordengland, wo die Mienen schließen sollen, und von diesem existenziellen Problem auch die Arbeiterfamilie Elliot betroffen ist. Der Vater und der ältere Sohn Tony leiden stark darunter und schließen sich diversen Streiks an, bei denen sie kreuz und quer von Polizei mit Knüppel gejagt werden.
Als Gegenpol gibt es dazu den jüngeren Sohn Billy (Jamie Bell), der ein Faible für Ballett und Tanz entwickelt. Für eine solche Leidenschaft, die dazu auch noch die unmännlichste von allen ist, gibt es natürlich kein Platz in dieser tristen, von Existenzängsten geplagten Zeit. Billy braucht lange, um die Engstirnigkeit und die Intoleranz des Vaters und des Bruders zu schmälern und die Beiden von seinem Talent zu überzeugen, in dem er ihnen zunehmend häufiger vor der Nase herumhopst, um sein Können zu beweisen. 

Der Film lässt all den Ballast der gesellschaftlichen Hintergründe irgendwann hinter sich und wandelt überraschenderweise sogar Vater und den älteren Sohn zu friedvollen, mitfühlenden Familienmenschen, die plötzlich brav den Abwasch machen und voller Hoffnung auf Billy starren, der zwischenzeitig in der Londoner Royal Ballet School ein Vortanzen hatte.
Fassen wir es kurz zusammen: wir haben hier also einen brodelnden, gesellschaftskritischen Hintergrund und einen außergewöhnlichen, sensiblen Jungen, der sich von dieser Realität abschirmen will, zuerst seine Boxhandschuhe an den Nagel hängt, um anschließend seine Frust nur noch im Tanzen herauszulassen. Die reduzierte Holzknüppel-Moral macht es uns noch deutlicher: Man soll seinen Traum leben und dafür kämpfen, so hart die Lebensumstände auch sein mögen. Billy bleibt also stets am Ball, mal genervt mal etwas zickig, aber er hat ja auch einen harten Kampf auszutragen, wenn er sich zu T.Rex-Songs tanzend erstmal in seiner Andersartigkeit behaupten muss. Stephen Daldry nutzt, nebenbei erwähnt, die ganzen Pop-Gossenhauer auf eine recht aufdringliche Weise, weil sie nicht bloß Billys Seelenleben widerspiegeln, sondern einfach weiterlaufen, auch wenn die Szenen längst schon in das beklemmenden Interieur der Arbeiterklasse wechseln.
Netter, gar zu netter Film, irgendwo zwischen Jugendfilm, Milieu-Drama und Casting-Show, der es aber letztendlich geschafft hat, viel (zu viel) Wirbel um sich zu machen.

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