3. September 2013

THE WICKER MAN

Robin Hardy (Großbritannien, 1973)
An dieses filmische Mysterium von Robin Hardy muss man sich nach langer Zeit auch mal wieder herantasten und man kann das kaum bewerkstelligen, ohne überall von einer Heerschar an fanatischen Anhängern umzingelt zu sein, die diesen Film in den Himmel loben. Man möchte das Geheimnis dieses zurechtgesponnenen Kults endlich auflösen, was beinahe schon spannender erscheint, als diesem altbewährten Plot zu folgen.
Man erinnert sich an den Inhalt: Sergeant Neil Howie (Edward Woodward) ist der strenggläubige Vorzeige-Polizist vom englischen Festland, der auf der schottischen Insel Summerisle landet, um das Verschwinden der jungen Rowan Morrison aufzuklären. Sein Auftrag gestaltet sich schwierig, da sich die Insel-Bewohner nicht gerade als sehr kooperativ herausstellen; sie leugnen sogar in ihrer abweisenden Art die Existent des Mädchens. So stoßt Howie lediglich auf Rowans leeren Sitzplatz in der Schulklasse und auf lückenhafte Infos im Einwohneramt, bis er schließlich in der Ungemütlichkeit des überwucherten Friedhofs weiterschnüffeln darf. Dabei dreht er sich zunehmend im Kreis, als dass er einer plausiblen Lösung näherkommen würde. Ob das Mädchen irgendwo noch auf der Insel umherschleicht, oder vielleicht längst schon unter den Toten verweilt; das sind Fragen, die den Neuankömmling kreuz und quer durch die Ortschaft schlendern lassen und sein Misstrauen gegenüber den Menschen und den Vorfällen wachsen lassen.
Howie stoßt hier auf eine rätselhafte Gemeinde, die sich am heidnischen Naturkult, frei ausgelebter Sexualität und mysteriösen Fruchtbarkeitsritualen ergötzt. Eine Gemeinde, die scheinbar von dem geheimnisvollen Lord Summerisle (Christopher Lee mit atemberaubender Frisur!) angeführt wird. Dieser erweist sich für Howie als einzige wirkliche Ansprechperson, wenn er auch dem Polizisten in der Geborgenheit seines eigenen Reiches völlig überlegen zu sein scheint.
Die große Weidenfigur bzw. der Wickerman taucht dann natürlich auch noch auf, aber man verrät ja wiedermal viel zu viel, wenn man auf dieses spektakuläre Finale eingeht, bei dem die bisherigen Verhältnisse in einer tödlichen Verschwörung vollständig auf den Kopf gestellt werden. Der Jäger wird zum Gejagten.
Robin Hardy schmeißt hier Verschiedenes zusammen, was nicht zusammengehört, um sich vom klassischen Genre-Muster abzuwenden, koste es was es wolle. Der erwähnte heidnische Naturkult überschlägt sich mit einer klassischen Kriminalgeschichte und der Regisseur scheut nicht mal davor, Musical-Akzente zu setzen.
In dieser Genre-Irreführung oder stilistischer Unentschlossenheit liegt aber auch der Hund begraben: "The Wicker Man" ist auf Widersprüchen aufgebaut, durch die er zu ersticken droht. Die oftmals kontrapunktierende Musik erinnert beinahe an die radikalen Methoden der Giallo-Regisseure und die surrealen Orgien-Szenen, sowie die starr dastehenden, mit Tiermasken verkleideten Bewohner, hemmen die greifbare Glaubwürdigkeit. Sie rauben den nötigen Funken Realismus, der als Bindeglied zwischen kriminalistischen Tatsachen, Zuschauer-Identifikation und der Erfüllung der Ängste, also dem Horror, stehen müsste. Es ist ein künstlicher, distanzierter, selbstironischer, gar charikaturhafter Film.
Aber vielleicht soll uns „The Wicker Man“ auch gar nicht das Gruseln lehren. Er schafft es dennoch, ohne das fiktive Monster auszukommen und sich damit von dem Gothic-Horror der englischen Hammer-Studios abzuheben. Er bleibt ein provokantes Schauermärchen, oder ein vom keltischen Nebel eingehüllter Realismus, der in einem tranceähnlichen Zustand durch die Filmgeschichte hoppelt.

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