20. September 2013

FRAUENTRÄUME

Ingmar Bergman (Schweden, 1955)
Ein Billig-DVD-Label ließ diesen Film zusammen mit Bergmans "Schiff nach Indialand" erscheinen, zwar nicht in bester Qualität und auch nicht in bester Aufmachung, aber was schert man sich um Nebensächlichkeiten, wenn man doch zwei weniger geläufige Bergmans in den Händen halten darf.
"Frauenträume" ist zuallererst in der Modewelt angesiedelt, aber es ist ein Bergman-Film, also bleibt er nicht bloß an einer überschminkten Oberfläche. Der Film fängt stark an, ganz ohne Worte, bloß Bilder, aber stets die richtigen. Das hat etwas von einer Orson Welles-Methode; wir erinnern uns ganz vorsichtig an "Citizen Kane", wo die Optik sogar den Inhalt überwuchs. Der große Schwede leitet uns also in diese Welt der Schönen und schön angezogenen Menschen ein und zeigt ein Shooting in einem Stockholmer Fotostudio, aber ganz ohne den erwarteten modischen Enthusiasmus, sondern in einer angespannten Situation, wo alle auf etwas warten, das nicht in Worten ausgesprochen wird. Stumme Gesichter, Nahaufnahmen, Hände die nervös auf dem Tisch Rhythmen trommeln.
Wir wissen, dass Bergman mit seinen Figuren diesen Raum schleunigst wieder verlassen möchte und das tut er auch: die Modefotografin Susanne (Eva Dahlbeck) und das Modell Doris (Harriet Andersson) fahren anschließend zu einem Job nach Göteborg. Das beabsichtigte Shooting fällt jedoch ins Wasser, weil Doris zu spät zum Termin kommt und lieber ihre Zeit mit dem lebenserfahrenen, wortgewandten Konsul Sönderby (Gunnar Björnstrand) verbringt, den sie gerade kennenlernen durfte. Susanne geht dafür eine alte Affäre mit dem verheirateten Henrik ein, zu dem sie erneut Kontakt aufgebaut hat.
Der Ausflug nach Göteborg erweist sich also für beide Frauen als der Versuch eines Ausbruchs aus ihrem sonstigen Trott. Es geht aber nicht nur um die Befreiung der Frau aus Gewohnheiten und beruflichen Zwängen, sondern auch um Geschlechterkonflikte und die Unterschiede gesellschaftlicher Herkunft, die für genug haarsträubende Missverständnisse sorgen.
Doris ist eben das naive, infantile Mädchen, das mit strahlenden Augen vor einer teuer Boutique steht und das Leben in vollen Zügen genießen will. Als sie dann den ins Alter gekommenen Konsul in einen Vergnügungspark hinschleppt, tankt sie neue Energie, während er förmlich hinaustorkelt und sogar erschöpft umfällt.
Währenddessen schafft es Susanne sich mit ihrer alten Flamme in einem Hotel zu treffen, doch wie diese beiden parallel angelegten Seitenpfade bewandert werden und wohin sie letztendlich führen, das muss an dieser Stelle verschwiegen werden. Eine Konsequenz können beide Frauen aus ihrer Reise gewiss ziehen, sodass sie durch eine dauerhafte Erfahrung bereichert werden und sich der erzählerische Bogen wieder schließen darf.
Bergmans Film möchte sich angeblich gerne zu seiner damaligen komödiantischen Phase dazugesellen. Durch den Kontrast von Doris und dem Konsul gelingt ihm das auch, aber der dramatische Grundton ist nicht wegzubekommen. Den verstärkt er sogar noch zusätzlich, weil Göteborg nicht als ein Ort dargestellt wird, der einen mit offenen Armen empfängt. Die Stadt erscheint hier trist, nüchtern und menschenleer, damit sich die Handlung um so mehr an dem Innenleben der Protagonisten festkrallen kann.

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