William Wyler (USA, 1961)
William Wylers altes Lehrstück über
den selbstsüchtigen Menschen, der zum eigenen Vorteil lügt, um sich
selbst reinzuwaschen, völlig unbekümmert, wenn andere plötzlich
darunter leiden müssen und eine erfundene Geschichte wie ein
Lauffeuer in alle Richtungen sprießt, Verwirrung stiftet und große
Opfer fordert.
Da es sich bei der Schuldigen um ein
kleines Mädchen handelt, denkt man an diesen Film auch gerne zurück,
wenn man in jüngster Zeit Vinterbergs „Die Jagd“ sehen durfte,
der gewisse Parallelen zu Wylers Klassiker aufweist.
Wyler war eh ein großer Erzähler,
dessen Filme den eigenen Schöpfer haushoch überragten; ein
Regisseur der seltsamerweise immer im Schatten seiner eigenen Arbeit
stand und dabei so viele unterschiedliche Klassiker schuf.
In „Infam“ geht es um eine
Privatschule im konservativen Neuengland, die von Audrey Hepburn und
Shirley MacLaine geleitet wird, wo erstmal alles rosig und harmonisch
anfängt, so dass man sich fragt, was da außer einer sommerlichen
Liebelei oder ein paar Gören, die ihre Hausaufgaben nicht machen
wollen, überhaupt dieses friedsame Gleichgewicht stören könnte.
Aber wie immer bei einem Wyler-Film, lohnt es sich abzuwarten und
auch wenn man ihn schon zum siebten oder achten Mal sieht, kommt
schließlich irgendwann die Figur der kleinen Mary (Karen Balkin) zum
Einsatz, die zum Selbstschutz eine perfide Lüge erfindet, die beiden
Lehrerinnen hätten zusammen ein Verhältnis.
Der Film ist von 1961 und kann nur
andeuten, schweift aber deswegen auch in keine unnötigen, vulgären
Nischen ab, sondern geht mit allem sehr subtil um. Tränen fließen
bei den zwei Jungen Frauen dennoch mehr als genug, weil die kleine
Mary standhaft bei ihrer Version bleibt und alle Erwachsenen an der
Nase herumführen kann. Wenn man ihr Gesicht so aus der Nähe
betrachtet, bekommt man selbst genügend Angst und glaubt, sie hätte
den Teufel mit Haut und Haaren verschlungen, so gemeingefährlich wie
sie einen mit ihrem Blick durchbohrt.
Der Skandal im Ort nimmt seinen Lauf,
Hepburn und MacLaine sitzen schließlich einsam, verlassen
und resigniert in ihrem Haus und der Zuschauer entwickelt tatsächlich
so etwas wie eine grollende Abscheu gegenüber einem kleinen Kind.
Das bringt uns geradewegs zu einem ganz anderen Genre, in dem Kinder
dämonisiert wurden: Damien oder Regan hier zu nennen, bedeutet, sich
ganz weit aus dem Fenster zu lehnen. Man hat sie trotzdem kurzzeitig
vor Augen, auch wenn Mary aus „Infam“ zweifellos Konflikte von
zwischenmenschlicher und gesellschaftlicher Größe auslöst und uns
keinen Spuk verabreichen möchte.
Die Schlussszene darf man kaum
ausplaudern, es sei aber gesagt, dass Audrey Hepburn hier in den
letzten Minuten vielleicht ihre einprägsamste Leistung bringt, die
beim mehrfachen Wiedersehen nichts an Wirkung einbüßt.
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