15. Juni 2013

ANGST VOR DER ANGST

Rainer Werner Fassbinder  (Deutschland, 1975)
Von Fassbinder kann man nie genug bekommen. Vor allem: sieht man einen, kommen einem schon die nächsten fünf entgegen, die man noch nie gesehen hat und so konnte ich kürzlich mit „Angst vor der Angst“ den nächsten Fassbinder-Schub eröffnen.
Nach „Martha“ ist das vor allem wieder ein guter Margit Carstensen-Film, hier als eine psychisch völlig ausgemerzte Margot, die im Grunde ein kaum beklagenswertes Leben mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter führt, die aber dennoch von dem festgefahrenen, bürgerlichen Dasein gelangweilt und überfordert ist.
Das äußert sich in ihren immer wieder auftauchenden Halluzinationen, mit deren tricktechnischer Seite uns Fassbinder vielleicht anfangs zu sehr auf die Nerven geht, die aber im weiteren Verlauf nur noch das Rückgrat der Geschichte bilden.
Margot träumt also von einem Ausbruch aus den Fängen des Alltags und flüchtet sich in ihr Inneres, ertränkt den Kummer im Alkohol und kapselt sich mit Kopfhörern und Musik von allem ab, was unangenehm ist und keine Lösung in Aussicht hat.
Die neugierige Mutter und Schwester wohnen eine Etage höher und nerven das junge Ehepaar mit ständigen Kontroll-Besuchen. Der Ehemann, zwar mitfühlend aber doch hilflos, möchte von keinem gestört werden, so bald er nach Hause kommt und mit dem Rücken zu seiner unglücklichen Frau sitzt, während er für seine bevorstehenden Prüfungen lernt.
Einziger Ausweg ist der Apotheker im Haus nebenan, der schon immer in Margot vernarrt war und mit dem sie eine aussichtslose Affäre startet. Auf dem Weg vom Kindergarten oder vom Arzt trifft sie öfters noch einen sehr unheimlichen Kurt Raab, der sein vampirhaftes Erscheinen in keinem Film vollständig ablegen kann. Hier als Herr Bauer, der sich als Margots penetranter Seelenverwandter ausgibt, weil er an ähnlicher Geisteserkrankung leidet.
Ein erschütterndes Portrait einer hochsensiblen Frau und Mutter, die in ihrem erstarrten Alltag nur noch auf die Augenblicke der Angstzustände wartet, bei denen sie die dazwischenliegenden Zeitabschnitte als lähmende Qual empfindet.

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