20. Juni 2013

BOLWIESER

Rainer Werner Fassbinder  (Deutschland, 1977)
Bolwieser (wieder mal der große Kurt Raab) ist Bahnhofsvorstand in einer Kleinstadt mitten im bayerischen Nirgendwo, der sich einbildet, er würde mit seiner Frau Hanni (Elisabeth Trissenaar) eine harmonische Ehe führen. Diese schielt aber schon lange nach dem Gastwirt Merkl (Bernhard Helfrich), wovon die ganze Ortschaft weiß und Bolwieser hinterm Rücken auslacht. Als die Gerüchte ihren Lauf nehmen und auch in Bolwiesers Ohren zirkulieren, zeigen Hanni und Merkl die Verleumder an, und selbst Bolwieser schwört einen Meineid, um seine Frau zu schützen. So sehr ist er in die Illusion der glücklichen Ehe vernarrt, ohne zu merken, dass diese heile Welt geschwind und zweifellos zerbröckelt und er seine geliebte Frau schließlich am Friseur Schafftaler (Udo Kier) verliert, selbst immer tiefer fällt und wegen Meineids ins Gefängnis landet.
Mag vielleicht an meiner Fassbinder-Überdosis gelegen haben, dass der Film nicht mehr seine erhoffte Wirkung hinterlassen hat, oder einfach nur am falschen Moment. Dafür kann der Film dann nichts, oder „Bolwieser“ gehört wirklich zu den Filmen, die weil sie auf einem Roman basieren, deutlich weniger Handschrift ihres Regisseurs tragen. „Bolwieser“ ist ja in seiner Inszenierung, Ausstattung und Beleuchtung ein anderes paar Schuhe als Fassbinders sonst erhoffte, ausgekotzte und spartanische Nicht-Ästhetik und man fühlt sich fast schon wie beim jungen Andrzej Wajda, wenn er ein Thema anpackte, das geschichtlich etwas weiter zurücklag und schon gleich als Kostümfilm durchgehen konnte. Was nicht heißt, dass Fassbinder ständig die gleichen Mittel nutzte; sein „Veronika Voss“ ist eine handwerklich-erzählerische Glanzleistung, ebenso „Effi Briest“, der themengerecht ästhetisiert wurde. Oder man muss „Bolwieser“ wirklich in der längeren TV-Fassung sehen.

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