4. Oktober 2012

RIFF-PIRATEN

Alfred Hitchcock (Großbritannien, 1939)
Das man so etwas noch erleben darf: ein Piratenfilm von Hitchcock, so nenne ich seine erste du Maurier-Verfilmung jetzt einfach, ("Rebecca" folgte direkt danach) weil es ja auch einer ist, bis auf den kleinen Unterschied, dass er mit der Mary (Maureen O’Hara) eine für ein solches Genre viel zu ausgetüftelte Frauenfigur vorweisen kann, die nicht einfach nur hübsch anzusehen ist und von Edelmännern gegen säbelschwingende Raufbolde beschützt werden muss, sondern selbst tatkräftig ins Geschehen eingreift.
Es ist nämlich so: Mary ist eine Waise, kommt nach dem Tod ihrer Mutter zu ihrem Onkel & Tante nach Cornwall, um dort ein neues Leben zu beginnen. Die beiden führen in dieser ungemütlichen, felsig-stürmischen Umgebung eine Gastwirtschaft mit dem Namen "Jamaica Inn", ein beliebter Versammlungsort für üble Visagen, eine Piratenbande, deren Anführer kein geringerer als Marys Onkel Joss ist. Die Bande hat sich darauf spezialisiert, vorbeikommenden Schiffen falsche Leuchtsignale zu senden, sie stranden zu lassen, auszurauben und die gesamte Mannschaft zu ermorden. Die Fäden werden vom Friedensrichter Pengallan (Charles Laughton) gezogen; ein herrischer, selbstverliebter Lebemann und heimlicher Oberboss der Strandpiraten, der sich durch die kriminelle Schandtaten ein Luxusleben sichern konnte. Und man merkt gleich, wie aufdringlich dominant Charles Laughton in diesem Film ist, eine theatralische Karikatur seiner selbst. Hitchcock war diese Zusammenarbeit zuwider, aber der Film war ja auch ein Schnellschuss, kurz bevor der Vertrag mit O. Selznick dem Suspence-Meister die Tore zu Amerika/Hollywood öffnete.
Mary sperrt jedenfalls Ohren und Augen auf und merkt schnell, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht, kann später sogar das trügerische Signalfeuer am Strand bändigen und ein Schiff vorm Untergang retten und einer der Piraten erweist sich als Regierungsagent (die Liebesgeschichte in diesem Film!), was durch die Doppelbödigkeit doch wieder Hitchcock erahnen lässt und nicht vollständig in einem abenteuerlichen Kostümschinken abdriftet, der mehr an den Anfangsteil von Stevensons "Schatzinsel" erinnert, als an die Handschrift des guten alten Alfred H.

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