16. Oktober 2012

KINDER DES OLYMP

Marcel Carné (Frankreich, 1945)
Marcel Carné, einer von den Filmemachern, die ihr Herz nach außen tragen und unter lautem Pochen und Hämmern Wunder vollbringen. Zugegeben: mittlerweile zugestaubte Wunder, wie eben dieser Film, den man nur schwer von seiner Staubschicht befreien kann, dessen Qualität und Reiz schon museale Züge trägt; er ist wie ein altes Schwarz-Weiß-Bilderbuch, eine filigrane Süßigkeiten-Schachtel aus dem Oma-Cafe und doch lebt und atmet er immer noch weiter, dank Baptiste, der Pierrot-Pantomime, weil er den ganzen Film mit sich reißt, in dem er auf der Bühne schweigt und doch so viel sagt.
Aber eigentlich dreht (und versammelt) sich alles um die Schauspielerin Garance, die gleich von mehreren, sehr unterschiedlichen Männern umzingelt wird. Carné schafft hier eine Liebesgeschichte in ihrer reinsten Form, in großen Gesten, provozierte damals sicherlich manch ein verweintes Auge, gar triefende Nasen, der Kitsch ist zum Greifen nahe, doch man verzeiht dem Regisseur, weil er sich durchgehend das Motiv zu Nutze macht, das Leben selbst sei eine große Bühne. Und die Männer schaffen es eh nicht, an das Herz von Garance zu gelangen, diese Gauner, Schauspieler, Grafen und Pantomimen; sehen ihr eigenes Scheitern ein und suchen eher nach Möglichkeiten, wie sie sich wieder von ihr lösen könnten.
Die Zeit verstreicht, das Karusell dreht sich weiter, Garance gibt zu, dass sie schon immer Baptiste liebte, und dieser ist ganz hin- und hergezerrt, weil er längst verheiratet ist und einen Sohn hat, doch Garance erscheint wieder vor ihm und die alte Liebe entflammt, auch wenn er sie doch nicht bekommen kann, weil er im Getümmel der Karnevalisten untergeht, während sie in der Kutsche davonfährt und der Vorhang endgültig fällt.
Das ist die detailverliebte Arbeit eines Film-Stuckatuers und ein interessantes Zeitdokument zugleich, wie etwas derartig aufwändiges überhaupt zur damaligen Zeit entstehen konnte, wo doch das von den Nazis besetzte Frankreich unter finanzieller und menschlicher Not zu leiden hatte, alles strenger Überwachung und Zensur unterlag und selbst die im Film reich gedeckten Essenstische einfach leergegessen wurden. Aber Baptiste bleibt in all den menschlichen Trümmern eine Filmfigur für alle Ewigkeiten.

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