9. Januar 2012

MUTTER JOHANNA VON DEN ENGELN

Jerzy Kawalerowicz ( Polen, 1961)
Wenn jemand im 16. Jahrhundert (oder auch früher) nur halbwegs so „überzeugend“ unter Identitätsspaltung litt, wie es Mutter Johanna in Kawalerowiczs Film tut, dann ist es nicht verwunderlich, dass die Leute von Angst überwältigt so etwas wie Hexenverbrennung und Teufelsaustreibung eingeführt haben.
Lucyna Winnicka in der Rolle der besessenen Ordensschwester ist jedenfalls das gespenstischste was mir in der letzten Zeit über den (Film)Weg gelaufen ist. Ein unglaublich wandlungsfähiger Filmcharakter, dessen verschiedene Gesichter stets zu überraschen und zu gruseln wissen. Da ist alles dabei, von Unschuldsengel bis zum tierähnlichen Dämon; als Zuschauer ist man restlos bedient und wunschlos glücklich.
Irgendwann hilft nichts mehr und der junge Pater Suryn (Mieczyslaw Voit), der eigentlich das Böse austreiben wollte, wird schließlich zum Mörder, damit der Teufel von ihm Besitz ergreift und somit Mutter Johanna erlöst werden kann. Diese gesteht jedoch zuvor ein, lieber verdammt, böse und verrucht zu sein, als eine heilige Nonne zu spielen, zu der sie sich gar nicht berufen fühlt.
Kawalerowicz nutzt den historischen Hexenprozess in der französischen Kleinstadt Loudon, um mit seinem Film kräftig an der Kirche zu rütteln, die in ihrer Stränge jedes Freiheitsgefühl eindämmt und ihre irdischen Diener zu Sklaven macht. In Schwarzweiß und ohne Schnörkel. Phantastisch.

Keine Kommentare: