5. Januar 2012

JANE EYRE

Cary Fukunaga (Großbritannien, USA, 2011)
Sieht man das Plakat oder den Trailer zu diesem Film, könnte man eine völlig verwässerte Adaption des Brontë-Romans erwarten, der vordergründig auf eine seichte Liebesgeschichte hinauszielt. An der Oberfläche ist er das ja auch, denn selbst Frau Brontë wollte damals sicherlich nicht nur Angst und Schrecken verbreiten, sondern auch mit einer halbwegs gesüßten Romanze unterhalten.
Demzufolge ist Cary Fukunagas Film wirklich gut geworden, zumindest der Vorlage gerecht, weil er Schauermärchen und Liebesstory gut zu ausbalancieren weiß. Der Film kratzt nicht bloß an der Oberfläche, sondern dringt auch zu der finsteren Seele dieses dunklen Romans hervor. Kostümfilm-Anhänger, die eine kokett-gemütliche Liebesgeschichte erwarten, werden sich hier nicht besonders wohl fühlen, denn Charlotte Brontë stand schon immer lieber auf der Schattenseite des Lebens als in einem sanftmütigen Licht.
Jane Eyeres Lebens- und Leidensgeschichte ist ohnehin ein qualvolles Martyrium. Die kühlen, nicht besonders vertrauenswürdigen Figuren bleiben meist in völliger Dunkelheit verborgen, knapp durch Kerzenschein beleuchtet, genau wie die liebevoll ausgestatteten Wohnräume. Wunderbare Bilder, sind das... realistisch und düster, meistens fern von Postkartenidyllen.
Mia Wasikowska in der Titelrolle: kennt man bereits aus Tim Burtons "Alice". Sie ist ein scheuer Hund, doch genügend abgehärtet, um den unnahbaren Mr. Rochester (Michael Fassbender) aufzutauen. Als einzige Frau knackt sie ihn wie eine Nuss und entlockt aus seinem Inneren all die dunklen Geheimnisse, die in den Gemäuern von Thornfield herumspuken. Und ja: Judy Dench ist natürlich auch dabei; die alte, englische Lady bekommt nur ihr Namensschild ausgetauscht und schon ist sie die Haushälterin von Mr. Rochester.
Was ärgert ist die Erzählchronologie: Der Drehbuchautor lässt Jane Eyre nicht linear heranwachsen (wie im Buch), sondern versucht das Drama und das Heranreifen der Figur mit zeitlichen Sprüngen greifbarer zu gestalten, verharmlost und enträtselt aber die Gesamtform durch die in Rückblenden erzählten Lebensabschnitte seiner Heldin. Der stets wechselnde Kontrast zwischen Unruhe und Geborgenheit, der den Roman zusammenhält, geht im Film dabei verloren.
Es ist dennoch ein reifer Film eines jungen Regisseurs, der sich gleich an ein großes Werk herangetraut hat. Bei Jane Austen-Filmen schnuppert man immer eine himmlisch-wohltuende Luft, dabei ist es doch viel interessanter mit Charlotte Brontë in der Hölle zu schmoren. (oder wenigstens zu brutzeln)

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