28. Januar 2013

PICKPOCKET

Robert Bresson (Frankreich, 1959)
Robert Bresson muss man hin und wieder aus dem Keller holen, und eigentlich gehört er auch gar nicht dahin, denn er zählt wirklich zu den größten des französischen Kinos, auch wenn er gerne etwas vergessen wird, oder aber immer viel zu sehr im großen Schatten der Nouvelle Vague stand, auch wenn er mit seinem einprägsamen Stil diese Bewegung wie kaum ein anderer Landsmann beeinflusste.
Michel (Martin LaSalle) vertritt hier die schmuddelig-poetische Coolness im Anzug, den ewig traurig dreinblickenden Studententypen, der am liebsten herumlungert, sich seine Hände nicht so gern bei lästigen Jobs dreckig macht, sondern lieber seine langen Finger heimlich in die Hosen- und Jackentaschen von Fremden reinsteckt, um ihre Brieftaschen zu entwenden.
Große Inspiration für ihn ist ein Buch über den legendären Taschendieb George Barrington, seine persönliche Bibel und Nachttisch-Literatur, die ihn in besonders brenzligen Situationen beinahe zu verraten droht. Für uns Zuschauer ist Michel ein Künstler oder Zirkusartist, der in seiner mickrigen Wohnung Fingerübungen macht, um sein Taschendieb-Handwerk zu perfektionieren. Für Paris, seine Freunde und die Polizei ist er ein ausgetüftelter, gesichtsloser Dieb, der nicht zu fassen ist, bevor seine Finger eines Tages doch noch nach der falschen Brieftasche greifen.
Bresson ist das Auge des Kinos. Man schalte den Ton weg und versteht die Geschichten immer noch, weil er so präzise und geradlinig in Bilder zu erzählen versteht. Und Bresson nutzt diese visuelle Präzision auch in diesem Film, um sich an sein Thema so gut wie möglich zu nähern. Aus der Kunst des Taschendiebstahl macht er eine dokumentarisch anmutende Choreografie aus tanzenden Händen, die perfekt einstudiert wahre Wunder vollbringen, wenn sie heimlich nach Geldbeuteln, Schmuck und Uhren von ahnungslosen Passanten greifen.

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