7. Januar 2013

DIE ROMANTISCHE ENGLÄNDERIN

Joseph Losey (Großbritannien, Frankreich, 1975)
Joseph Loseys Filmographie scheint relativ umfassend zu sein, ich dachte, ich würde mehr davon kennen, doch irgendwie ist es bisher nur sein Engländerin-Film, oder ich übersehe gerade seine größten Schlager und müsste vor Scham im Erdboden versinken. 
Der Film lief vor langer Zeit in einer Helmut Berger-Reihe, wo er auch auf keinen Fall fehlen darf, denn wo Berger sonst bei Visconti göttergleich aufs höchste Podium gehievt wird, kann er hier in Loseys Film all seine Eitelkeit und egozentrische Überheblichkeit fast schon wieder persiflieren. Die Rolle des Drogenkuriers und Gigolo Thomas ist ihm wie auf den Leib geschrieben, was in der entspannten Art dieser Figur oft zu wirklich komischen Momenten führt. 
Als Gegenstück dazu stellt der Regisseur den ewig kauzigen Michael Caine in gemütlicher Strickjacke aufs Schlachtfeld, hier in der Rolle des zynischen Schriftstellers Lewis Fielding, dessen gelangweilte Ehefrau (Glenda Jackson) in Baden-Baden auf den jungen, attraktiven Thomas trifft und das Beziehungsschlammassel beginnen darf. Der Schriftsteller steckt nämlich nicht nur in seinen Eheproblemen sondern auch noch in einem kreativen Loch und es kommt ihm gelegen, dass der junge Thomas schließlich das Ehepaar besuchen kommt und sich in deren Wohnung einnistet, mit dem Vorwand, er würde sich für Fieldings Schreibkunst begeistern, aber natürlich längst ein Auge auf dessen Ehefrau geworfen hat.
Der Film rüttelt an der bürgerlichen Fassade und macht das mit viel beißendem Humor, weil sich die drei grotesken Figuren immer wieder in die Quere kommen und in der Wohnung übereinander stolpern. Dazwischen hampeln auch noch der kleine Sohn und das Kindermädchen, die ebenso Berger verfällt.
Das Londoner Haus des Ehepaars lernt man schließlich auch immer besser kennen und darf es als eigenständigen Charakter betrachten, vor allem Fieldings eigenes Kämmerchen, in dem er an seinen Romanen tüftelt und auf dessen Wand mehrere Portrait-Aufnahmen seiner Ehefrau hängen, auf denen er sie noch einmal (oder endlich?) aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten kann.
Ob das wohl ein typischer Losey-Film ist, fragt man sich. Wenn ja, dann sollte man sich künftig auf die Suche nach seinem restlichen Werk machen.

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