30. Mai 2013

DAS GRÜNE ZIMMER

François Truffaut  (Frankreich, 1978)
Wäre "Das grüne Zimmer" Truffauts letzter Film gewesen, hätte er sich damit das makaberste aber auch das perfekteste Denkmal gesetzt, weil es wohl kaum jemals einem Regisseur gelungen ist, mit einer solch hartnäckigen Besessenheit das Thema "Tod" vollständig ins Rampenlicht zu rücken. Aber es ist ja auch ein Film, der vor allem das Thema der bedingungslosen Treue gegenüber einem Menschen (und einem Toten!) behandelt und sich gleichzeitig auf die Frage stürzt, ob der Lebende ein Anrecht darauf hat, den Verstorbenen jemals durch einen andern Lebenden bzw. eine neue Liebe zu ersetzen.
Truffaut ließ sich zu solch schwierig-morbiden Grübeleien von Henry James inspirieren, auch wenn der gesamte Film eher wie ein ganz persönliches Statement zum Thema Tod/Verarbeitung des Todes wirkt, was zusätzlich dadurch verstärkt wird, dass Truffaut gleich selbst die Rolle des Journalisten Davenne übernimmt, der für alle seinen Verstorbenen das "grünes Zimmer" eingerichtet hat, um sie ewig in Erinnerung zu behalten, bzw. um ihnen bestmöglich nahe zu kommen und die Grenze zwischen Leben und Tod immer deutlicher zu verwischen.
Damit das Ganze thematisch noch persönlicher und somit viel greifbarer wird, geht der Augenmerk vor allem auf seine jung verstorbene Ehefrau Julie, die wir nur von den aufgehängten Fotos und Gemälden kennen. Später wagt der Witwer sogar noch einen recht perversen Schritt und lässt anhand der Fotografie eine realitätsgetreue Puppe von seiner Frau nachbauen, um sie dann voller Ekel wieder zerstören zu lassen und verhindert damit, dass der Film versehentlich ins Horror-Genre überschwappt.
Letztendlich sollte man sich eh auf die Lebenden konzentrieren, das bekommen wir lehrreich beigebracht, weil Davenne schließlich in seiner kauzigen Zurückgezogenheit ernsthaft krank wird und sein Schicksal sonnenklar aufleuchtet: Er kann sich bald den blassen Gesichtern in der von endlosen Kerzen erhellten Kapelle anschließen.
Bleibt vielleicht der merkwürdigste Truffaut-Film von allen, weil Truffaut selbst schon in der Hauptrolle kaum ernst zu nehmen ist. Auf seine hölzern-theatralische Art versucht er sich nämlich standhaft, in seinem kindlich-naiv konstruierten Universum zu verschanzen und reagiert auf alles gereizt, gar zickig, was seine penibel aufgestellten Regeln gefährden könnte, womit er seine Figur meisterhaft selbst parodiert.

Keine Kommentare: