30. Juni 2011

ANOTHER YEAR

Mike Leigh (Großbritannien, 2010)
Erstmal große Tränen: mit diesem Film werden die Türen des Wiesbadener Caligari-Programmkinos für die alljährliche Sommerpause geschlossen.
Jedes Mal wenn ich dazu kam, durch die Londoner Wohngegenden zu spazieren, und all die hübschen aneinanderhaftenden Einfamilienhäuser bestaunte, überlegte ich immer, was da wohl für Leute wohnen mögen, wie es wohl hinter den verzierten Hausfassaden aussieht. Mike Leighs Film gibt die Antwort.
Erzählt wird die Geschichte des harmonischen Ehepaars Tom (Jim Broadbent) und Gerri (Ruth Sheen). Er Geologe, sie Psychologin, beide Anfang 60, in London lebend. Das Haus des Ehepaars bietet immer die nötige Geborgenheit für äußerst dramatische, vom Leben gebeutelte Mitmenschen. Eine Unterkunft als Auffangbecken für Probleme, die man dort bestens unter den Teppich kehren kann. Dazu gehört vor allem Gerris Arbeitskollegin Mary (wunderbar gespielt von Lesley Manville). Ein Klotz am Bein von einem Hausgast; eine vereinsamte Frau in den 50ern, die seelisch zu zerbröckeln droht.
Und immer wenn man glaubt, dass Mike Leigh seine Figuren doch noch aus dem Dreck zieht, weil eine Lösung am Horizont sichtbar wird, passiert am Ende doch nichts. Man glaubt, zwei passende Puzzelstücke gefunden zu haben, doch sie bleiben einfach liegen, ohne dass jemand den Versuch wagt, sie zusammen zu stecken. Denn wie der Regisseur selbst behauptet: „Ich treffe in meinen Filmen keine moralischen Urteile, ich ziehe keine Schlüsse. Ich stelle Fragen, ich beunruhige den Zuschauer, ich mache ihm ein schlechtes Gewissen, lege Bomben, aber ich liefere keine Antworten. Ich weigere mich, Antworten zu geben, denn ich kenne die Antworten nicht.“
Doch auch wenn "Another Year" bis zum Ende keine Lösungen zu bieten hat; eins ist klar: der Film ist das pure Leben. Der unmittelbarste Blick darauf. Zum Greifen nah.

1 Kommentar:

Smutek hat gesagt…

ha, den habe ich im flugzeug geschaut. habe mike leigh bisher 0 verfolgt, aber der film ist wirklich angenehm.