7. Juni 2011

EIN ZU TODE VERURTEILTER IST ENTFLOHEN

Robert Bresson (Frankreich, 1956)
Wie herrlich doch ein Genrefilm sein kann. So will ich ihn bezeichnen, denn wenn eine Geschichte auf die vier Wände eines Gefängnisses konzentriert ist, lässt sich das Schubladendenken kaum vermeiden. Aber erstmal danke an F. Truffaut, der mich durch sein Buch "Die Filme meines Lebens" auf Bressons Film gebracht hat.
Der Résistance-Kämpfer Fontaine sitzt während des 2. Weltkriegs in der Todeszelle eines Gestapo-Gefängnisses. Anstatt sich mit seinem Schicksal abzufinden, nimmt er es lieber selbst in die Hand und beschließt zu fliehen.
Und hier kommt Bresson zum Einsatz, mit seinem fotografisch-analytischen Wahnsinn, den er auf ähnliche Weise danach in "Pickpocket" zum Ausdruck brachte. Der gesamte Film wird zu einer besessenen, naturgetreuen Studie eines Mannes, der sein gesamtes Erfindungsreichtum einsetzen muss, um aus einer spartanisch ausgestatteten Zelle herauszukommen und schließlich das gut bewachte Gefängnis unentdeckt zu verlassen.
Dazu muss man anmerken, dass der Film auf Tatsachen basiert; um so spannender ist es zuzuschauen, wie ein Mensch beinahe spielerisch seine Zelle in ihre Einzelbestandteile zerlegen muss (und das ohne aufzufallen!), um dann den einzelnen Elementen eine neue, gegenständliche Bedeutung zu geben. Der Esslöffel wird zum Messer, zerkleinerte Glasscherben zu Schneidewerkzeugen, Decken und Laken werden schließlich zu dem unvermeidlichen Ausbruchsseil geknotet.
Der Titel verrät zwar den Plot (vor allem der deutsche Verleihtitel), aber hier geht es nicht so sehr um das "was", sondern vor allem um das "wie": Bressons Gabe, eine Handlung detailgetreu wiederzugeben, ohne in eine dokumentarische Starrheit zu verfallen, sondern mit poetischer Bildsprache eine fesselnde Geschichte zu erzählen.

Keine Kommentare: