15. November 2013

WENN DIE GONDELN TRAUER TRAGEN

Nicolas Roeg  (Italien, Großbritannien, 1973)
Roeg scheint ein vielseitiger Regisseur zu sein, wenn man sieht, dass dieser schaurige Klassiker sich in der filmischen Chronologie zwischen seinem Australien-Outback-Film "Walkabout" und dem Sci-Fi-Urgestein "Der Mann, der vom Himmel fiel" drängt. Und Daphne Du Maurier scheint eine ebenso vielseitige Lieferantin für fesselnde Buchadaptionen gewesen zu sein. Wir kennen sie spätestens seit Hitchcocks "Rebecca" und "Die Vögel", und in den 70ern war sie eben dafür verantwortlich, dass man seit diesem Roeg-Film ungern einen Fuß in Venedig aufsetzte, und wenn doch, dann mit einem gewissen Unbehagen und ohne jemals die ausgetretenen Touristen-Pfade zu verlassen.
Bevor wir uns aber in den verwinkelten Ecken Venedigs restlos verirren dürfen, sorgt Roegs Film zunächst für Aufsehen durch seine endlos wirkende Liebesszene zwischen dem Protagonisten-Pärchen; Donald Sutherland (als Kirchen-Restaurator, John Baxter) und seiner Ehefrau, gespielt von Julie Christie; beide mit ähnlichen Frisuren auf dem Kopf, nebenbei bemerkt. Ein weiteres Motiv, das filmische Spuren hinterlassen hat (vor allem wer sich für Farbsymbolik interessiert), ist die kleine Tochter im roten Mantel, die beim Spielen in einem Teich ertrinkt.
Der harte Schnitt nach diesem dramatischen Zwischenfall schwenkt die Handlung direkt nach Venedig, wo Baxter eine alte Kirche restaurieren soll, während seine Frau den Tod ihrer Tochter zu überwinden versucht. Schon bald lernt sie dort zwei ältere, schottische Damen kennen; eine von ihnen blind und dennoch mit seherischen Fähigkeiten ausgestattet, so dass sie in der Lage ist, mit der verstorbenen Tochter in Kontakt zu treten. Baxter will von diesem parapsychologischen Unfug nichts wissen, hängt lieber auf den hohen Gerüsten und passt Mosaiksteinchen in die beschädigten Heiligenbilder, während sich seine Frau immer tiefer in den labyrinthischen Gassen Venedigs verliert und sich in nächtlichen Sitzungen mit den gespenstischen Damen ihrer toten Tochter zu nähern versucht.
Abermals wird Venedig in einen rätselhaften, morbiden Ort verwandelt, der noch mysteriöser und verschleierter erscheint als bei Thomas Mann bzw. Luchino Visconti und wenn die Kamera die Tauben aufscheucht und blitzartig ihren Flug mitverfolgt, wird es für einen Augenblick doch noch schön. Schauderhaft-kühl und ungemütlich beklemmend bleibt es hier dennoch; schließlich handelt der Film von entlarvenden, durchdringenden Blicken, die sich nicht von pittoresken Kulissen beirren lassen.

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