21. November 2013

DAS 1. EVANGELIUM - MATTHÄUS

Pier Paolo Pasolini  (Italien, 1964)
Pasolini hat mit seinen bis dahin produzierten Filmen genügend Angst und Schrecken in seiner Heimat verbreitet; da mussten der italienischen Bevölkerung und der Kirche obendrauf die Knie geschlottert haben, als er die Umsetzung der Passions-Geschichte in Angriff nahm. Doch wie groß muss die Verblüffung gewesen sein, dass er sich erzählerisch doch brav an das Matthäus-Evangelium anlehnte, ohne Seitenpfade zu betreten und im großen Stil zu schockieren. Von einem homosexuellen Atheisten und einem dermaßen kontroversen Regisseur hätte man eher erwartet, dass er gerade bei dieser Thematik alles in Schutt und Asche legt.
Stattdessen erzählt er uns schnörkellos die Lebens- und Leidensgeschichte des Messias und äußert sich in seiner Kompromisslosigkeit immerhin dadurch, dass er nahezu ausschließlich Laien-Darsteller anheuert und auf unnötigen Glanz, prätentiösen Pathos und vor allem auf eine überhöhte Darstellung der Jesus-Figur, zugunsten einer menschlicheren Ausführung, verzichtet. Somit bleibt es womöglich immer noch die bodenständigste und ungeschmückteste Variante, weil Pasolini letztens Endes der Mann mit dem ungeschönten, realitätsnahen Blick war, bei dem sogar die Szenen der Kindermorde von Herodes wie festgehaltene, dokumentarische Aufnahmen wirken. Filmisch betrachtet, ist man dieser Zeit kaum jemals so beängstigend nahe gewesen. Und man vergesse nicht den ungewöhnlichen Soundtrack, bei dem vielleicht der größte Anteil an Originalität liegt: Mozarts Themen paaren sich mir russischen Volksliedern, Odettas vom Blues durchtränkten Spirituals treffen auf afrikanische Kongo-Rhythmen.

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