4. März 2012

Alfred Hitchcock Collection

Während der letzten, Streifzüge durch diverse Filmkauf-Anlaufstellen (auch unter dem Alternativtitel "spontane Schnäppchenjagd" bekannt), fiel mir kürzlich diese dicke und gar nicht mal so hässliche Hitchcock-Box in die Hände. Gegen 14,99 € kann man nichts sagen. Ganze 6 Filme sind drin, etwas seltsam zusammengestellt, aber trotzdem genau richtig für meine Bedürfnisse, da mir 4 Filme davon gänzlich unbekannt waren und die anderen zwei die allgemeine Sammlung zusätzlich komplettieren würden. Das Zusatzmaterial kann auch stolz auf sich sein; jeder Film ist mit einer Dokumentation ausgestattet, in der viele Weggefährten und Kollegen zu Wort kommen. Es genügt schon Peter Bogdanovich zuzuhören, dem filmischen Schlaumeier, der scheinbar jeden Film auf diesem Planeten gesehen hat und zu jedem auch etwas zu sagen hat.
Nun zum Inhalt:

Es ging los mit "Ich beichte" (1953) mit Montgomery Clifft als Priester in Quebec, der mit der kirchlichen Schweigepflicht belastet ist als ihm ein Mörder seine Tat als Beichte ablegt. Der Priester wird selbst zum Hauptverdächtigen muss aber schweigen, weil Gott von überall vom Kreuze herabschaut. Er muss sich entscheiden, ob er seiner religiösen Schweigepflicht treu sein möchte, oder ob er seine eigene Haut retten will.
Monty wie immer großartig, wie immer in einer qualvollen Rolle, die ihn wieder so furchtbar angespannt leiden lässt. Dafür kennt und schätzt man ihn. Ungewöhnlicher Hitchcock; fast schon mehr Bergman.

Der zweite Film war dann „Der fremde im Zug“ (1951), der in drei Fassungen vorliegt und bei dem ich mich automatisch für die längste entschieden habe. Wie sich später dank einer Doku herausstellte, verpasste ich aber gerade eine viel bessere Pointe in der allerletzten Schlussszene, was unbedingt noch nachgeholt werden muss. Der Film selbst über den psychopathischen Zuggast (Robert Walker erinnert bisschen an Robert Mitchum in „Nacht des Jägers“), der mit dem Protagonisten einen Mord tauschen will, um auf beiden Seiten die Spuren zu verwischen, überzeugt großteils, vernachlässigt aber stellenweise seine Glaubwürdigkeit durch eine Überladung an optischen und erzählerischen Einfällen. Dennoch bleibt der Zweikampf und Verfolgungsjagd auf einem außer Kontrolle rasenden Karussell, ein attraktiver Höhepunkt, was ein bombastisches Finale ohnegleichen garantiert.

Ein wirklich großartiger Film ist „Der falsche Mann“ (1956); gehört für mich zu den besten Werken des Suspence-Meisters, vielleicht gerade weil er durch seinen "Realismus" so anders ist und zu einer viel intensiveren Auseinandersetzung mit den Charakteren zwingt. Henry Fonda spielt hier den finanziell wackelig dastehenden Nachtclubmusiker und Familienvater, der durch eine Verwechslung fälschlicherweise als Verbrecher identifiziert wird. Das raffinierte an den Plot ist, dass Hitchcock irgendwann diese kafkaeske Kriminalgeschichte beinahe fallen lässt und sich unverschämter weise einer Parallelhandlung widmet, nämlich der psychischen Erkrankung von Henry Fondas Ehefrau, die mit der Tragödie dieser Anschuldigung nicht mehr umgehen kann. Das ist ungewöhnlich und großartig erzählt und gespenstisch in seiner Unmittelbarkeit, von wunderbaren Darstellern getragen.

"Bei Anruf Mord" (1954) gehört zu den bekannteren Filmen in dieser Zusammenstellung, wenn auch für mich nicht gerade zu den besten von Hitch. Ray Milland will hier Grace Kelly (seine Ehefrau) loswerden, nachdem er herausfindet, dass sie ein Techtelmechtel mit einem anderen Mann hat, und Milland eine Scheidung (finanziell) nicht durchstehen würde. Der eingefädelte Plan misslingt jedoch, Grace Kelly kann ihren "Mörder" mit einer Schere erstechen und wir haben einen der schönsten Morde der Filmgeschichte. Der Film ist nach einem Broadway-Stück inszeniert und reduziert seine gesamte Handlung auf die Wohnung des Ehepaars. Das ist zwar eine große Herausforderung, macht ihn aber gleichzeitig sehr geschwätzig und zu einem bis auf die Knochen abgenagten Krimi. Ein Fest für wahre Rationalisten.

Der bekannteste Film in der Box ist mit Sicherheit „Der unsichtbare Dritte“ (1959) und ein krasser Gegensatz zu „Bei Anruf Mord“, was seine Vielzahl an Handlungsorten angeht. Cary Grant gerät hier in Intrigen des amerikanischen Geheimdienstes, in die auch die bezaubernde Eva Marie Saint verwickelt ist. Grant wird von einem Ort zum anderen gejagt, Städte und Landschaften wechseln ständig, Entfernungen werden mit Autos, Bus und Bahn überwunden, irgendwann dann endlich die berühmte Szene mit dem Sprühflugzeug und Cary Grant im Maisfeld, bis man schließlich mit dem Finale am Mount Rushmore belohnt wird, welches komplett im Studio nachgebaut wurde, weil Hitchcock keine Drehgenehmigung hatte, um an dem echten Felsen mit den Präsidentenköpfen zu drehen.
Dank der vielseitigen Handlungsorte gehört der Film zu Hitchcocks vielseitigsten Werke.

Und zu guter letzt schließlich "Die rote Lola" (1950), in dem Hitchcock seine üblichen Mord/Täter-Thematik in die Welt des Theaters verfrachtet. Mit dabei Marlene Dietrich; bereits ihr erstes Auftreten ist spektakulär, wenn man zuerst ihre Beine und ihr blutverschmiertes Kleid zu sehen bekommt. Die blonde Femme Fatale ist damit definiert, die restlichen Darsteller müssen dann zusehen, was sie aus ihren Figuren machen; sie stehen erstmal in Dietrichs Schatten, ganz klar. Der Mordablauf wird dann in einer Rückblende nacherzählt, bis sich der ganze Wirrwarr schließlich enträtselt. Schwächster Film in der Reihe.

Im großen und ganzen ein guter Kauf; perfekt für den Geldbeutel, bloß etwas peinlich, dass jemand wie Hitchcock dermaßen verscherbelt wird. Merkte ich neuerdings wieder, als ich mehrere seiner früheren Filme bei Restposten entdeckte (dazu bald mehr!). Damit ist der gute Alfred nicht nur Meister des Suspence, sondern auch König der Wühltische.

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