12. Februar 2014

VERTRAG MIT MEINEM KILLER

Aki Kaurismäki  (Finnland, Großbritannien, 1990)
Sogar jemand wie Kaurismäki kann sich von Jules Verne inspirieren lassen. Es handelt sich in dem Fall jedoch nicht um die abenteuerlustigen Fabeln des Sci-Fi-Urgroßvaters, sondern um seinen etwas weniger geläufigen Roman "Die Leiden eines Chinesen in China", der dem Finnen zu seiner filmischen Geschichte verhalf.
Der ehemalige Truffaut-Zögling, Jean-Pierre Léaud spielt einen Franzosen in England, der im Londoner Wasserwerk angestellt ist und bereits am Anfang des Films entlassen wird. Der Regisseur gibt ihm auch kaum die Gelegenheit, sich mit seinem Schicksal auf irgendeine Weise abzufinden, sondern treibt ihn sofort in die vollkommene Ausweglosigkeit. Man sieht ihn schnell mit einer Schlinge um den Hals oder mit dem Kopf im Backofen. Die Selbstmordversuche misslingen jedoch, was bei Kaurismäki gewohnt tragisch-komisch-lakonisch ist und Léaud bzw. Boulanger schafft anschließend etwas vollkommen Absurdes, indem er sich selbst einen Auftragskiller aufhalst. Von nun an wird er zu einem panisch Verfolgten, der in seiner eigenen Wohnung auf den bestellten Mörder wartet.
Eine Kehrtwende erlebt die Geschichte dann doch noch, als Boulanger die Blumenverkäuferin Margaret (etwa ein Chaplin-Zitat?) kennenlernt und sein Leben plötzlich doch wieder einen Sinn ergibt. Leider ist es da schon zu spät, den Vertrag mit dem Killer rückgängig zu machen.
Das klingt nach einer Hitchcock-Charikatur und ist auch ähnlich inszeniert, wie die Filme des Suspense-Erfinders. Überall erwartet man den bösen Trenchcoat-Träger in den nächtlichen Straßen; man weiß was passieren soll, bloß nicht wann und ob es wirklich passieren wird. London bleibt weitgehend bis zur Unkenntlichkeit maskiert, selbst bei längeren Kamerafahrten über der Skyline scheint Kaurismäki ausgelutschte, offensichtliche Hinweise zu vermeiden, die eine sofortige Zuordnung des Ortes vereinfachen würden. London ist fremd und unnahbar, weckt keine Gefühle von touristischer Vertrautheit und malerischer Gemütlichkeit, um standhaft allen Reiseführer-Klischees auszuweichen. Gerade durch die Entfremdung der Hauptfigur, ist es vielleicht Kaurismäkis kühlster Film. Und entgegen seiner früheren Nouvelle Vague-Geschwätzigkeit, kann Jean-Pierre Léaud im Alter endlich auch mal wunderbar wortkarg bleiben.

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