6. Februar 2014

DAS LEBEN DER BOHÈME

Aki Kaurismäki  (Frankreich, Italien, Schweden, Finnland, 1992)
Kaurismäki hat seit je her das große Talent, seine Filme zeitlos erscheinen zu lassen, ob in den 80ern, 90ern oder in den letzten Jahren entstanden; er stellt seine eigene Handschrift bewusst in den Vordergrund und verwischt damit jegliche sich aufdrängenden Äußerlichkeiten, die an bestimmte Jahrzehnte klischeehaft geknöpft sind.
Wenn er in diesem Film von der Bohème erzählt und sich dabei von Henri Murgers Roman „Scènes de la vie de Bohème” von 1851 beeinflussen lässt, schnappt sein Film tatsächlich den Zeitgeist jener Pariser-Periode auf. Dass er sich in der Jetztzeit abspielt, fällt dann beinahe nicht mehr auf. Hier prallt das zwanzigste Jahrhundert gegen seine zugestaubten Helden; Maler, Musiker, Schriftsteller... Geister der Vergangenheit, in einer modernen, dennoch archaisch wirkenden Welt gefangen.
Wie so oft stellt Kaurismäki seine Figuren vor die Frage, wovon man die nächste Miete bezahlen soll, doch dieses Mal trifft es keine Durchschnittsbürger ohne Eigenschaften, sondern die kreativen Köpfen und der Film wird anstandslos malerischer, gar poetischer, weil der Regisseur auch noch nach alten französischen Meistern greift: Louis Malle sitzt im Café und der Ausflug ins Grüne erinnert an Jean Renoirs idyllischen Realismus. Dann die Szene des Diebstahls: Nahaufnahmen von Händen, die in fremde Taschen hineingreifen; schon sind wir bei Robert Bresson. Und wenn das Holz zum Heizen ausgeht, steckt man eben die Gedichte seiner Jugend in die Flammen des Ofens; Carl Spitzwegs "Der arme Poet" in filmisch vollendeter Form.
Eine tragisch-komische Ode ans (Künstler)Leben, Freundschaft und Liebe und vielleicht Kaurismäkis witzigster Film, weil er seinen Figuren eine intellektuell-überhöhte Ausdrucksweise in den Mund legt und damit die Härte ihres Daseins ironisiert.

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