18. April 2013

goEast 2013

10.04.13 – 16.04.13, Wiesbaden
Das „exground Filmfest 2012“ war bereits eine bittere Enttäuschung, so dass ich einen Beitrag völlig boykottiert habe, und nun stand das "goEast" in Wiesbaden vor der Tür. Doch bei diesem Festival sah es von vorn herein schon viel rosiger aus, weil man sich bereits im Programmheft voller Neugier gleich mehrere potenzielle Film-Kandidaten einkreisen konnte. Eine standfeste Entscheidung fiel um so schwerer, doch die 5 ausgesiebten Werke waren allesamt mehr als zufriedenstellend. Rückblickend war es vielleicht sogar die bisher vielseitigste Film-Wahl bei einem Festival.
 
Es ging los mit "Drei" (Jugoslawien, 1965) von Aleksandar Petrović. Hier dreht sich alles um Partisanen und die alten Nazis, natürlich in Schwarzweiß und eine Menge Mut zu sich aufdrängenden Nahaufnahmen und einer öfters vogelartig aufsteigenden Kamera, dass einem schwindlig werden kann. Die Bilder sind groß, der Film geht mit Dialogen eher zurückhaltend um und die schutzgebende, endlose Landschaft wird restlos ausgeschöpft. Guter Film.
Am Samstag dann der von den Kinoleinwänden kürzlich emporgestiegene Pole "Im Namen von..." (Polen, 2012) von Małgorzata Szumowska, über den Pfarrer Adam, der aus Warschau in die polnische Provinz versetzt wird, wo zu seiner Gemeinde eine Anzahl grobgeschnitzter, junger Dorf-Raufbolde gehört. Doch einer von ihnen ist anders, zeigt auch mal eine sensiblere Seite und es passiert was nicht passieren darf, eine Annäherung beider Männer, ohne aber thematisch ausgeschlachtet zu werden. Würde die Regisseurin nicht so Vieles erzählen wollen und dabei ihre Figuren öfters aus dem Blickfeld verlieren, hätte es ein wirklich guter Film werden können.

Sonntag-Vormittag fiel die Wahl auf die
Matinée-Veranstaltung, zu der Martina Gedeck ins Wiesbadener Caligari eingeladen wurde, um über István Szabó-Film "Hinter der Tür" (Ungarn, Deutschland, 2012) zu plaudern, in dem sie eine ungarische Schriftstellerin spielt, die sich mit Hellen Mirren als kauzige Haushälterin herumplagen muss. Die Geschichte zweier grundlegend unterschiedlicher Charaktere und wie beide voneinander lernen und Frau Gedeck vor eine knochenharte Selbstreflexion hingestellt wird. Lebensweisheiten, nicht ohne beißenden Humor erzählt, mit guten Darstellern, aber auch ein wenig zu niedlich-märchenhaft. Zielgruppe: leicht versnobte Kulturtante mit langem Schal. Szabó kann definitiv auch anders.
Martina Gedeck wirkte ansonsten manchmal etwas verwirrt, wenn sie zB von ihrem Interviewer auf den Namen ihrer Filmfigur angesprochen wurde (und diesen nicht wusste), was aber sympathisch-menschlich rüberkam, wie insgesamt ihre Erscheinung und die Art auf die ihr gestellten Fragen einzugehen. In Wiesbaden war sie auch schon mal, hat da gedreht, die Gute... bloß was genau? Frau Gedeck erinnerte sich nicht mehr, sie dreht eben am laufenden Band.
Am gleichen Tag dann noch abends der nagelneue "Die langen hellen Tage" (Georgien, Frankreich, 2013) von Nana Ekvtimishvili und Simon Groß.  Angesiedelt in Tiflis der 90er Jahre wird die Geschichte von zwei Freundinnen erzählt, die langsam aber sicher ihre Kindheit hinter sich lassen, immer mehr mit den Tücken des georgischen Alltags konfrontiert werden und den ewigen Kampf mit dem Generationskonflikt ausfechten müssen. Im Mittelpunkt eine Pistole, die als Zeichen von Zuneigung an eins der Mädchen verschenkt wird; eine geladene Waffe, für deren Einsatz es mehrere Ziele bzw. Racheakte geben könnte, so scheint es. Als Zuschauer wartet man nur noch auf den Schuss. Eine nüchterne Studie, aber auch ein Kino fürs Auge, weil die traditionellen Elemente immer wieder für reichlich exotische Ausschmückung sorgen.

Zu guter Letzt schließlich "Die Himmelsbräute der Wiesen-Mari" (Russland, 2012) von Aleksey Fedorchenko, der vielseitigste oder besser: viel-gesicht-igste (Episoden)film der diesjährigen goEast-Auslese, weil der Regisseur in seiner magisch-mystischen Geschichte um die Frauen des Mari-Volkes, eine große Anzahl an abwechslungsreichen Menschentypen versammelt. Der Film ist allein schon optisch eine Sensation, wären da nicht noch die irrsinnig-surrealen, natur-verbundenen, Sex, Magie, Leben & Tod thematisierenden Episoden, die vor einem eigensinnigen, lakonischen Humor nur so strotzen, dass selbst ein Roy Andersson neidisch werden müsste, wenn er die farbenfrohen, streng fotografisch komponierten Bilder sehen würde.

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