12. April 2013

NACKTE JUGEND

Nagisa Ōshima (Japan, 1960)
Bevor Ōshima Ende der 70er mit seinem "Im Reich der Sinne" für Aufsehen sorgte, gelang ihm in früherer Zeit mit "Nackte Jugend" ein bemerkenswertes Werk, das seltsamerweise mit der französischen Nouvelle Vague in Verbindung gebracht wird, vielleicht weil Ōshima mit diesem Film die japanische Neue Welle in Schwingungen versetzte, auch wenn sich der Film inhaltlich viel besser in den italienischen Neorealismo einreihen lässt.
Es dreht sich nämlich alles um die desillusionierte Nachkriegszeit Japans, wo sich die Jugend zwar nicht aus den Trümmern zerbombter Städte befreien muss, wie man es aus Europa kennt (Hiroshima und Nagasaki sind noch ein anderes Kapitel!), aber wo die jungen Leute dennoch perspektivlos den Alltag hinter sich bringen. Es heißt ja auch: Wir können nicht enttäuscht werden, weil wir eh keine Träume haben.
Ōshima scheint dabei enormen Gefallen an einer zügellosen Aggressivität zu haben, weil er seine frustrierten Figuren, mal in ruhigen Bildern oder mit holpriger Handkamera einfängt, während sie handgreiflich und gewalttätig werden und auch keine kriminellen Taten scheuen. Und der Film bäumt sich zunehmend auf, damit sich der Sack am Ende vollständig zuschnürt, aus dem es kein Entkommen mehr gibt. Wenn der Nachspann aus dem Nichts erscheint, schluckt man nur noch und macht große Augen.
Ein Film, den man wiedersehen muss, weil die Fremde des fernen Ostens einen erstmal überrumpelt (trotz des westlichen Flairs der Kneipen mit ihrer Hintergrund-Jazzmusik), wenn man zu großem Bedauern feststellt, dass man viel zu selten Filme von dort zu sehen bekommt.
Bei der Aufführung im Wiesbadener Caligari gab es ein zusätzliches Highlight, als der Film nach ca. 20 Minuten plötzlich auf dem Kopf stand und daraufhin komplett aussetzte, bis er nach weiteren 15 Minuten endlich weiterlaufen konnte. Solche technischen Pannen bei uralten Kopien steigern natürlich den Raritäts-Faktor ins Unermessliche.

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