5. August 2013

VULCANO

William Dieterle  (Italien, 1950)
Anna Magnani (damals höchstbezahlter Star Italiens), wagte mit "Vulcano" eine Art Gegenstück zu Roberto Rossellinis zeitgleich entstandenem "Stromboli", mit dem sie dem Regisseur aus persönlichen Gründen eins auswischen wollte.
Eine Ähnlichkeit ist nicht von der Hand zu weisen: auch hier kommt eine Frau auf eine abgelegene Vulkaninsel, wo der alte Berg vor sich hinbrodelt und nichts Gutes verheißt, während man sich auch noch unter großen Strapazen an die rückständigen, intoleranten Dörfler anpassen muss.
Die Bergman war im anderen Film bloß eine feine Großstadt-Dame, während die Magnani bereits ihre ersten Lebensjahre als junge Frau auf der Insel verbracht hat und nun mit schäbigem Image zurückkommt, da sie auf dem Festland in Neapel als Prostituierte arbeitete. Ihre naiven Jungmädchen-Träume vom glanzvollen Leben in einer Großstadt, wurden in all den Jahren der Abwesenheit zunichte gemacht. 
Zurück auf der Insel wird sie von allen ausgestoßen und selbst der Zutritt zum Gotteshaus wird ihr von den Bewohnern versperrt (sie tröstet sich damit, dass Gott eh überall zu finden ist). Sie wird lediglich von ihrer Schwester und ihrem kleinen Bruder akzeptiert und aufgenommen, die sie bei ihrem Neuanfang tatkräftig unterstützen. Die beiden Frauen arbeiten irgendwann auf dem Boot des Tauchers Donato (Rossano Brazzi), wo sie ihm während seiner Tauchgänge die Luft zum Atmen hinunterpumpen. Donato sucht aber weniger nach Schwämmen, wie er immer erzählt, sondern durchforscht ein gekentertes Schiffswrack nach verborgenen Schätzen. Dass er nichts weiter ist als ein hinterlistiger Gauner, bemerkt Magnani ganz schnell mit ihrer Menschenkenntnis, als er sich an ihre Schwester heranmacht und ihr ein besseres Leben in der Großstadt verspricht. Magnani übernimmt in dem Moment das Ruder, um ihn auf sich zu lenken und damit die Schwester von einem tragischen Schicksal zu bewahren. Der Vulkan meldet sich am Ende natürlich auch noch.
Dieterles Film weckt dermaßen viele Erinnerungen an Rossellinis "Stromboli", dass man nicht drumherum kommt, doch noch einmal kurz wegen beiden Filmen zu recherchieren und festzustellen, dass beide doch fast zur gleichen Zeit entstanden sind und dass man in "Vulcano" nicht nur einen Konkurrenzfilm, sondern auch noch einen Racheakt erkennen kann. Anna Magnani war nämlich kurz davor noch mit Rossellini zusammen, der sie jedoch sitzen ließ, als sich Ingrid Bergman dazu entschloss, Hollywood den Rücken zu kehren, um mit dem Neorealismo-Meister in Italien zu drehen.
"Vulcano" ist vielleicht eine aggressivere Variante von "Stromboli"; das merkt man nicht nur in der Besetzung der Hauptrolle, sondern auch in der gemeinsamen Szene des Fischfangs: Während in "Stromobli" die Netze für Thunfische ausgeworfen werden, tummeln sich in "Vulcano" lauter, bedrohlich wirkende Schwertfische in den Booten der Fischer.
Beides gute Filme, die sich auf unverschämte Weise perfekt ergänzen. Man sollte unbedingt beide gesehen haben.

Keine Kommentare: